Neulich im Amtsgericht 65

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Das Kind lebte seit sieben Jahren, seit der Geburt in der Pflegefamilie. Es entwickelte sich prächtig. Alle waren zufrieden, die sorgeberechtigten leiblichen Eltern und Pflegeeltern verstanden sich prima, das Jugendamt präsentierte den Fall gerne als „Vorzeigefamilie“. Dann wurde die Sachbearbeiterin beim Jugendamt schwanger. Herzlichen Glückwunsch. Die neue Kollegin war jung, frisch von der Uni und sehr motiviert. Die Spannungen nahmen zu. Es gab Streit. Die leiblichen Eltern fühlten sich missverstanden, die Pflegeeltern übergangen, die Mitarbeiterin vom Jugendamt kam nur noch mit ihrem Vorgesetztenn zum Hilfeplangespräch.

 

Schließlich beantragten leibliche und Pflegeltern gemeinsam beim Familiengericht die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Pflegeeltern. Das sei das Beste so die leiblichen Eltern, ich fühle mich geeignet sagte die Pflegemutter, ich finde das super rief das Kind. Es kam zum Termin. Da holte die Mitarbeiterin des Jugendamtes, neben ihr ihr Vorgesetzter aus. Die Übertragung sei nicht sinnvoll. Es sei wichtig, dass das Kind eine neutrale Person neben sich wisse. Gerade für die spätere Pubertät. Die Pflegeeltern seien ungeeignet, misstrauten dem Jugendamt, seien unehrlich und würden das Jugendamt nicht immer zeitnah informieren. Außerdem sei zu befürchten, dass die Pflegeeltern, wenn sie die elterliche Sorge haben, sofort ein höheres Pflegegeld einklagen würden. Und die Rückführung zu den leiblichen Eltern, die immer das wichtigste Ziel sei, werde schwerer durchzusetzen. Stille im Saal.

 

Der Richter ergriff das Wort. Die freiwillige Übertragung der elterlichen Sorge habe der Gesetzgeber extra für langjährige Pflegeverhältnisse geschaffen. Es sei kein staatlicher Akt, bei dem es auf Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit ankomme. Wenn beide Parteien, Pflegeeltern und leiblichen Eltern das so wollen, dann müsse er als Richter das akzeptieren. Nur wenn das Kindeswohl bei einer Übertragung konkret gefährdet sei, könne die Übertragung abgelehnt werden. Das sei aber durch die allgemeinen Ausführungen des Jugendamtes nicht ersichtlich. Die Kritik beziehe sich eher auf das Verhältnis Pflegeltern-Jugendamt. Bein der Frage einer etwaigen Kindeswohlgefährdung komme es aber auf das Verhältnis Pflegeeltern-Kind an. Und das sei anscheinend sehr gut. Wenn er sich die positiven Entwicklungsberichte von Schule, Kindearzt und Jugendamt so anschaue. Selbst in allen Hilfeplänen werde nur positiv über die kindliche Entwicklung berichtet. Ergebnis: Antrag stattgegeben.