Neulich im Amtsgericht 64

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Das Kind lebte seit sieben Jahren in der Pflegefamilie. Seit seinem 1. Geburtstag. Alles war gut. Der Junge entwickelte sich prächtig und war glücklich. Vor zwei Jahren tauchte plötzlich die leibliche Mutter auf und begehrte Umgang. Den sie auch bekam. Alle vier Wochen eine Stunde. Der Umgang lief gut. Pflegeeltern und leibliche Mutter verstanden sich prima. Kurze Zeit später dann das Hilfeplangespräch. Das Jugendamt war voll des Lobes über die guten und schönen Umgänge und verfügte sogleich eine Erweiterung. Alle zwei Wochen am Samstag und nach drei Monaten das ganze Wochenende mit Übernachtung. Einwände der Pflegeeltern wurden abgetan. Das sei nötig, um eine Bindung des Kindes zur leiblichen Mutter aufzubauen.

 

Sechs Monate später kam dann schon der Antrag der leiblichen Mutter auf Rückführung. Der Umgang liefe toll, der Junge wolle zu ihr, es bestehe inzwischen eine tiefe Bindung. Das Gericht gab ein Gutachten in Auftrag. Sechs Monate später traf man sich wieder. Die Sachverständige wurde angehört.

 

Frage: „In der gerichtlichen Anhörung soll der Junge gesagt haben, er wolle zukünftig bei der leiblichen Mutter leben. Können Sie als Psychologin eine solche Aussage erklären? Der Junge lebt doch seit sieben Jahren in der Pflegefamilie und hat dort nach Ihren eigenen Worten sichere Bindungen aufgebaut?“. 

 

Antwort der Sachverständigen: „Vorgeburtlich. Jeder Mensch hat ein vorgeburtliches, also genetisches Bedürfnis, bei seinen leiblichen Eltern zu leben“. Jugendamt und Verfahrensbeiständin nickten. Die Richterin wandte noch schnell ein, dass es ja inzwischen durch die Umgänge eine Bindung entstanden sei und der Junge deshalb zurückwolle.

 

Drei Wochen später kam dann die Entscheidung: Ein weiteres Gutachten müsse eingeholt werden. Die bisherige Sachverständige wird entpflichtet.