Neulich im Amstgericht 59
Das Kind lebte nun schon seit vier Jahren in der Pflegefamilie. Im Alter von drei Jahren wurde es zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder aus der leiblichen Familie herausgenommen. Nach sechs Monaten in der Übergangspflege kamen sie zu den Dauerpflegeeltern. Der Junge war sehr unruhig, eine starke Entwicklungsverzögerung und Bindungsstörung wurden diagnostiziert. Pflegerad 3 wurde anerkannt. Die Kinder entwickelten sich gut, Umgang fand regelmäßig statt. Leider konnten die leiblichen Eltern von Anfang an nicht akzeptieren, dass die Kinder nicht mehr bei ihnen wohnten. Sie „störten“ wo sie nur konnten. Ärzte wurden falsch informiert, die Kinder wurden unabgesprochen bei der Krankenkasse abgemeldet, die Ausstellung von Reisepässen wurde verweigert, laufend gab es Beschwerden, Briefe, Anschuldigungen und Vorwürfe.
Schon nach einem halben Jahr beantragten sie beim Gericht die Rückführung. Nach mehreren Verhandlungen und einem umfassenden Gutachten ging der Ältere der beiden Kinder schließlich zurück in den leiblichen Haushalt. Für den Jüngeren wurde der Verbleib angeordnet, die leiblichen Eltern stellten eine umfassende Vollmacht aus. Doch weitere sechs Monate später erneut ein Antrag beim Gericht: Rückführung auch des jüngeren Bruders. Alle stöhnten und verdrehten die Augen und einigten sich auf mehr Umgang, Elterngespräche und Erziehungsberatung. Drei Monate später der nächste Gerichtstermin. Der Umgang sei zu wenig, Elterngespräche bringen nichts, Erziehungsberatung brauche man nicht.
Zum Glück blieben die Pflegeeltern standhaft. Das Ganze zerrte zwar deutlich an ihren Nerven, aber aufgeben kam nicht in Betracht. Der Richter bei Gericht stöhnte und verdrehte die Augen und gab ein (weiteres) Gutachten in Auftrag. Das lag ein Jahr später auf dem Tisch. Mit einer sehr klaren Botschaft: Das Kind bleibt in der Pflegefamilie. Und zwar dauerhaft. Den leiblichen Eltern sollte die elterliche Sorge entzogen werden, um Sicherheit für Kind und Pflegefamilie zu schaffen. Der Umgang sollte nur noch 3-4x im Jahr stattfinden. Der Richter zuckte mit den Schultern und sah die leiblichen Eltern an: „Da kann ich nix mehr machen, das ist glasklar“. Nach langem Hin- und Her nahmen die leiblichen Eltern dann ihren Rückführungsantrag zurück. Bedingung: kein Entzug der elterlichen Sorge, Umgang alle 4 Wochen. Alle stöhnten und verdrehten die Augen und schlugen ein. Auch die Pflegeeltern. Die konnten nicht mehr. Damit war wenigstens das Gerichtsverfahren endlich beendet.