Rechtliches: Inaugenscheinnahme und/oder Anhörung des Kindes
Das neue Familienrecht verlangt neuerdings in familiengerichtlichen Verfahren fast ausnahmslos die persönliche Inaugenscheinnahme und/oder Anhörung des Kindes. Das Gericht soll sich, egal wie alt das Kind ist, einen persönlichen Eindruck verschaffen. Dazu gehört bei Babys der Sichtkontakt und bei älteren Kindern die Anhörung. Darum müssen Pflegeeltern oftmals schon Babys zum Gericht bringen. Ausnahmen gibt es nur wenige.
Wenn das Kind durch den Termin extrem belastet wird oder der Ausgang des Verfahrens unabhängig davon ist. Beispielsweise bei Gewalt- oder Missbrauchsfällen. Da kommt es nicht darauf an, was das Kind selbst sagt, da reicht allein die Gefahrenlage für eine Entscheidung. Die Inaugenscheinnahme oder Anhörung findet stets außerhalb der eigentlichen Gerichtsverhandlung und nur mit Richter und Verfahrensbeistand statt. Weigert sich das Kind vehement, ohne seine (soziale) Mutter mitzugehen, haben die meisten Richter kein Problem damit, die (sozialen) Eltern hinzuziehen. Auch wenn die leiblichen Eltern und ihre Anwälte später „unzulässige Beeinflussung“ rufen. Entscheidend sind die Ängste und Themen des Kindes.
Will man vermeiden, dass sich Kind und leibliche Eltern auf dem Gerichtsflur begegnen, die Anhörungen des Kindes werden oft kurz vor der Hauptverhandlung angesetzt, muss man mit dem Richter sprechen. In solchen Fällen lässt sich (fast) immer eine Lösung finden. Durch Terminsverlegung oder Anhörungen in anderen Bereichen des Gerichtsgebäudes. Die Inaugenscheinnahme oder Anhörung muss in jeder Instanz separat gemacht, das Ergebnis muss vom Gericht protokolliert werden. Hilfreich ist es, wenn der Verfahrensbeistand das Kind auf den Termin vorbereitet, es zum Termin begleitet und später das Ergebnis des Verfahrens mit dem Kind bespricht. Das wird leider nicht immer und überall so gehandhabt.
Keine Anhörung oder Inaugenscheinnahme ist vorgeschrieben, wenn sich die Parteien vergleichen, das Gericht also nicht „im Namen des Volkes“ urteilen muss. Darum sparen manche Richter die Anhörung bis nach dem Haupttermin auf.
Das geht aber nicht immer. Manchmal ist das Ergebnis der Kindesanhörung wichtig für die Streiterei unter den Erwachsenen. Dann muss das Kind vorher angehört werden. Dies ist immer einzelfallabhängig.