Kommentar - die Pflegefamilie verlassen

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Soll ein Kind die Pflegefamilie verlassen und zu den leiblichen Eltern wechseln, müssen nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Vorgaben, die landauf, landab von den Amts- und Oberlandesgerichten gerne „übersehen“ werden. Dort ist die Frage der (wiedergewonnenen) Erziehungsfähigkeit der leiblichen Eltern (allein) entscheidend. 

 

Präsentieren sich leibliche Eltern (wieder) vernünftig, kooperativ und äußerlich gefällig, bestehen gegen einen Wechsel keine Bedenken. Schließlich müsse alles getan werden, damit Kinder bei ihren leiblichen Eltern leben können. Es sei das „oberste Bedürfnis eines jeden Kindes bei seinen Herkunftseltern zu leben – bei Mama und Papa“ (Sachverständige), „Kinder, die in fremden Familien aufwachsen, bekommen später in jedem Fall psychische Probleme“ (Richterin), „jedes Kind sehne sich nach seinen Wurzeln, spüre das natürliche Band zu den leiblichen Eltern und sei unbewusst unglücklich, wenn es bei fremden Menschen leben müsse“ (Verfahrensbeiständin), „es bestehe bei einem Wechsel immer ein Restrisiko, das müsse aber hingenommen werden“ (Richter). 

 

Jenseits dieser leider alles beherrschenden Ideologie gibt dagegen das Bundesverfassungsgericht klar vor, wie vorgegangen und was geprüft werden muss: Die Tragweite einer Trennung des Kindes von seiner bisherigen Bezugsperson, die besondere (Erziehungs-) Fähigkeit, negative Folgen der Trennungstraumatisierung aufzufangen und die langfristige Stabilität der leiblichen Familie. Außerdem, so ganz klar das Bundesverfassungsgericht, müsse das Gericht umfassend aufklären, Gutachten einholen, Zeugen vernehmen und kompetente Verfahrensbeistände bestellen. 

 

Vor allem, wenn Jugendamt, Sachverständige oder Verfahrensbeistand gegen den Wechsel sind. Denn (Zitat) „Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen und das Kind aus seiner neuen Obhut nur herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von seinen bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar sind“. Leider wird dieser professionelle und fachliche Zugang zur Lösung einer rechtlichen Frage von viel zu vielen Gerichten und Verfahrensbeteiligten ideologisch motiviert übersehen. Das ist furchtbar für die betroffenen Kinder.