Wer zahlt den Schaden durch ein Kind im Straßenverkehr?

| Gerichtsurteil, Leibliche Eltern, Schmerzensgeld

Antwort: Das achtjährige Kind selbst. Das zumindest sagt das Oberlandendesgericht Celle in einer aktuellen Entscheidung.

 

Während des Sommerurlaubs mit den Eltern fuhr ein achtjähriges Kind – das bereits seit seinem fünften Lebensjahr mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnimmt – mit dem Fahrrad auf einer Uferpromenade. Die Eltern gingen in Ruf- und Sichtweite einige Meter zu Fuß dahinter. Während das Kind vorwärts fuhr, sah es sich über einen längeren Zeitraum nach hinten zu den Eltern um und steuerte dabei auf eine Fußgängerin zu. Die Eltern versuchten, das Kind – welches noch eine Vollbremsung einleitete – durch Rufe zu warnen.

 

Bei dem Versuch, einen Zusammenstoß mit dem sich nähernden Kind zu verhindern, stürzte und verletzte sich die Fußgängerin. Sie verklagte darauf das Kind und dessen Eltern vor dem Landgericht Hannover auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld.

 

Das Landgericht (Az. 16 O 9/17) wies die Klage der Fußgängerin ab. Auf deren Berufung änderte der u.a. für Verkehrssachen zuständige 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle die Entscheidung des Landgerichts durch Urteil vom 19. Februar 2020 teilweise und verurteilte das Kind zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. (Az. 14 U 69/19). Ein Anspruch gegenüber den Eltern des Kindes bestehe demgegenüber nicht, weil diese ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt hätten.

 

In der Entscheidung hat der Senat noch einmal die Voraussetzungen dafür dargelegt, unter denen Kinder für von ihnen verursachte Schäden haften: Nach dem Gesetz (§ 828 BGB) sind Minderjährige unter sieben Jahren für anderen zugefügte Schäden nicht verantwortlich. Solange sie keine 10 Jahre alt sind, haften Kinder auch nicht für Schäden durch einen Unfall mit einem Kraftfahrzeug oder im Schienenverkehr. Von sieben bis 17 Jahren haften Minderjährige aber für solche Schäden, die sie einem anderen zufügen, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzen. Dazu genügt die Fähigkeit des Kindes, zu erkennen, dass es in irgendeiner Weise für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden kann.

 

Für den geschilderten Vorfall zwischen dem achtjährigen Kind und der Fußgängerin kam es nach Ansicht des Oberlandesgerichts darauf an, ob einem altersgerecht entwickelten achtjährigen Kind, das bereits seit seinem fünften Lebensjahr regelmäßig und auch im Straßenverkehr Fahrrad fährt, bewusst sei, dass es während der Fahrt nach vorne schauen und nicht über einen längeren Zeitraum nach hinten blicken darf. Wenn das Kind hätte voraussehen können und müssen, dass die an den Tag gelegte Fahrweise auf der Promenade befindliche Fußgänger verletzen konnte, habe es auch die Gefährlichkeit seines Handelns in der konkreten Situation erkennen und sich dieser Erkenntnis gemäß verhalten müssen. Der 14. Zivilsenat war auch aufgrund der persönlichen Anhörung des Kindes davon überzeugt, dass diesem zum Unfallzeitpunkt bewusst gewesen sei, dass es ein Fehler ist, während des Fahrradfahrens über einen längeren Zeitraum die Blickrichtung vom Fahrweg nach hinten abzuwenden. Das konkrete Verhalten des Kindes sei auch nicht aufgrund einer plötzlich auftretenden Situation reflexhaft ausgelöst gewesen (wie z. B. das Nachlaufen hinter einem Ball auf die Fahrbahn). Deshalb sei das Kind für die von der Fußgängerin erlittenen Verletzungen verantwortlich und habe den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.