Neulich im Amtsgericht 15

| Jugendamt, Neulich im Amtsgericht, Pflegeeltern, Rechte des Pflegekindes und der Pflegeeltern

Das Jugendamt hatte vor zwei Jahren verlangt, dass der 17-jährige Pflegesohn, der seit seinem sechsten Lebensjahr dort lebte, die Familie umgehend verlässt. Sonst würde man die beiden jüngeren Pflegekinder (7 und 9), die dort seit ihrer Geburt lebten, herausnehmen. Begründung: Der Junge habe ein pornografisches Bild per Handy an minderjährige Mitschüler/innen seiner kleinen Schwester verschickt. Er sei eine Gefährdung für die beiden jüngeren Kinder. Der Junge kam zunächst bei Freunden, später in einer eigenen Wohnung unter. Er hat, genauso wie seine beiden jüngeren Geschwister das Trauma der Aktion inzwischen mit Hilfe therapeutischer Begleitung überwunden. Das Strafverfahren ist wegen Geringfügigkeit eingestellt worden. Die Familie hat sich gesammelt.

 

Jetzt wurde über einen schon drei Jahre alten Antrag auf Übertragung der Vormundschaft der beiden jüngeren Kinder auf die Pflegeeltern verhandelt. Das Jugendamt war dagegen. Warum: „Weil die Pflegeeltern damals, bei der Straftat des älteren Pflegebruders nicht sofort nach Kenntnis vom Versenden des Bildes, das Jugendamt informiert haben. Man sei vom Geschehen erst am Abend des Tattages von der Polizei informiert worden. Deshalb habe man kein Vertrauen in eine offene und ehrliche Zusammenarbeit. Der Richter schüttelte leicht ungläubig den Kopf. „Spricht denn sonst etwas gegen die Eignung der Pflegeeltern als Vormund?" Schweigen. Es gab darauf auch nichts zu sagen. Denn die Pflegeeltern hatten unstreitig bisher hervorragende Arbeit geleistet. Den Kindern ging es gut, alle waren glücklich. „Ok", wandte das Jugendamt ein, „dann wollen wir aber das Aufenthaltsbestimmungsrecht behalten". Warum? „Weil wir dadurch sicherstellen können, dass wir bei einer erneuten Kindeswohlgefährdung handlungsfähig sind., Außerdem können wir so garantieren, dass die leiblichen Eltern Umgang bekommen".

 

Die leiblichen Eltern hatten sich allerdings seit Beginn der Vollzeitpflege nicht gemeldet. Umgangswünsche waren nicht bekannt. Der Richter fand zum Glück klare Worte: „Eingreifen können Sie bei einer Kindeswohlgefährdung immer. Dazu brauchen Sie kein Aufenthaltsbestimmungsrecht. Und über Umgang müssen wir hier und heute nicht entscheiden". Eine schwierige Diskussion. Schade, dass das Jugendamt nicht die Schatten von damals abwerfen konnte und vernünftig und kindeswohlorientiert argumentierte. Denn bei langjährigen Pflegeverhältnissen ist es grundsätzlich im besten Interesse des Kindes, wenn die faktischen (elterlichen) Bezugspersonen in allen Streitigkeiten und Konflikten (nicht nur mit den Kindern) auch die rechtlich Befugten sind.