Neulich im Amtsgericht 14
Zwei Tage vor dem Gerichtstermin riefen die Pflegeeltern aufgeregt ihren Anwalt an. Das Jugendamt stehe mit der Polizei vor der Tür und wolle das Kind abholen. Der Anwalt erfuhr von der Mitarbeiterin des Jugendamtes, dass zwar keine akute Kindeswohlgefährdung für die Herausnahme spräche. Es sei aber der Wunsch der alleinsorgeberechtigten, leiblichen Mutter, das Pflegeverhältnis zu beenden. Das sehe man aus fachlicher Sicht genauso, darum habe man für das Kind eine andere Pflegestelle gefunden. Eine Rückkehr zur leiblichen Mutter sei ausgeschlossen, diese lebe selbst in einer Jugendhilfereinrichtung. Der Einwand des Anwalts, man bräuchte für eine solche Herausnahme entweder eine konkrete Kindeswohlgefährdung oder einen Herausgabetitel des Amtsgerichts, blieb ungehört.
Das sei nun einmal der Wunsch der Mutter, den habe man zu respektieren. Auch die Polizei ließ sich nicht überzeugen. Man sehe hier zwar auch keine Kindeswohlgefährdung und würde das Vorgehen des Jugendamtes unglücklich finden. Aber man sei um Amtshilfe gebeten worden und außerdem sei die Herausnahme der Wunsch der leiblichen Mutter. Den habe man zu befolgen. Es kam, wie es nicht kommen musste – das 6-jährige Kind, das just an diesem Tag seinen ersten (glücklichen) Tag im Kindergarten hatte, wurde der im Streifenwagen wartenden leiblichen Mutter übergeben und mit dieser zur neuen Pflegefamilie gebracht.
Glücklicherweise lud das Amtsgericht schon am übernächsten Tag zur Anhörung. Und sparte nicht an deutlichen Worten. Die Art und Weise der Herausnahme sei mehr als unglücklich, das Kind sei dadurch traumatisiert. Wie soll so ein kleiner Kerl das verkraften? Und außerdem hätte man die Pflegeeltern zuvor informieren und sich einen Herausgabetitel besorgen müssen. Das Jugendamt konterte: Es habe eine latente Kindeswohlgefährdung durch den Konflikt zwischen den Pflegeeltern und der leiblichen Mutter bestanden. Außerdem sei die Herausnahme sehr friedlich verlaufen. Der das Kind aus dem Haus begleitende Polizeibeamte sei sehr gut auf das Kind eingegangen und habe ihm sehr liebevoll die vor dem Haus stehenden Polizeiwagen gezeigt.
In der neuen Pflegefamilie habe das Kind sehr viel geschlafen, sei fröhlich gewesen und habe dort auch schon Freunde gefunden. Glücklicherweise wischte das Gericht diese unfachlichen Einwände beiseite und ordnete die Rückkehr des Kindes in die ursprüngliche Pflegefamilie an. Am gleichen Abend war das Kind wieder zuhause. Seitdem lässt es die Pflegeeltern nicht mehr aus den Augen, weint und ist aufgeregt und fragt im Minutentakt, warum sie ihn in der anderen Pflegefamilie nicht abgeholt hätten. Er habe dort durchgehend geschrien und geweint. Außerdem fragt er mehrfach am Tag, ob er denn jetzt hierbleiben könne und ob sie ihn noch liebhaben. Vielen Dank liebes Jugendamt.