Kostenbeteiligung von Pflegekindern
§ 94 Absatz 6 (SGB VIII) legt fest, dass Pflegekinder einen finanziellen Beitrag dafür erbringen müssen, dass sie eine vollstationäre Betreuung durch eine Pflegefamilie oder eine Pflegeeinrichtung in Anspruch nehmen. Demnach werden Jugendliche als Leistungsempfänger behandelt und müssen 75 Prozent ihres Nettoeinkommens, welches sie im Rahmen ihrer Ausbildung oder eines Nebenjobs verdienen, an das Jugendamt zahlen:
„Bei vollstationären Leistungen haben junge Menschen und Leistungsberechtigte nach § 19 nach Abzug der in § 93 Absatz 2 genannten Beträge 75 Prozent ihres Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen. Es kann ein geringerer Kostenbeitrag erhoben oder gänzlich von der Erhebung des Kostenbeitrags abgesehen werden, wenn das Einkommen aus einer Tätigkeit stammt, die dem Zweck der Leistung dient. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um eine Tätigkeit im sozialen oder kulturellen Bereich handelt, bei der nicht die Erwerbstätigkeit, sondern das soziale oder kulturelle Engagement im Vordergrund stehen".
Gerechtfertigt ist die Kostenheranziehung laut Gesetzgeber dadurch, dass gemäß § 39 Absatz 1 Satz 1 SGB VIII das Jugendamt als zuständiger Jugendhilfeträger für dessen Lebensunterhalt und Krankenhilfe aufkommt. Gemäß § 39 Absatz 1 Satz 2 SGB VIII umfasst dieser Unterhalt die Kosten für den Sachaufwand sowie die Pflege und Erziehung des jungen Menschen (Unterkunft, Ernährung, Kleidung, Hygieneartikel, Fahrtkosten und Arbeitskleidung). Bei vollstationärer Betreuung eines Kindes oder Jugendlichen durch Pflegeeltern wird dieser Lebensunterhalt als Pflegegeld vom Jugendamt an die Pflegeeltern gezahlt (§ 39 SGB VIII). § 94 Absatz 6 SGB VIII ist zum 1. Januar 2014 geändert worden. Eine Freistellung der Heranziehung des Verdienstes ist seitdem immer dann möglich, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die dem Zweck der Jugendhilfe dient. Diese Tätigkeiten sind jene, bei denen es um die Förderung gesellschaftlich anerkannter Tugenden, wie beispielsweise Zuverlässigkeit oder Pünktlichkeit, geht. Es geht also um Tätigkeiten, die mit dem Zweck der erzieherischen Hilfe vereinbar sind. Ein Beispiel dafür ist das Austragen von Zeitungen. Diese Nebentätigkeit kann als solche anerkannt werden, woraufhin von der Heranziehung der Kosten abgesehen werden kann. Bei einer Beschäftigung im Rahmen anderer Nebenjobs oder einer Ausbildung kann es sein, dass einem Pflegekind dennoch nur 25 Prozent des Verdienstes bleiben.
Kritisiert wird an dieser Regelung, dass das Elternhaus oder die Lebenssituation eines jungen Menschen nicht bestimmen darf, welche Chancen ein Mensch im Leben hat. Kinder und Jugendliche dürfen nicht dafür in Verantwortung gezogen werden, dass ihre leiblichen Eltern nicht in der Lage sind, für sie sorgen zu können. Bereits für junge Menschen müssen die Rahmen so gesteckt sein, dass sich die eigene Selbstständigkeit in jedem Fall lohnt. Leistung und Engagement dürfen nicht bestraft werden. Während Kinder und Jugendliche 75 Prozent ihres Einkommens als Kostenbeitrag einsetzen müssen, beziehen die Pflegeeltern zwar weiterhin das Pflegegeld, mit dem für den Lebensbedarf des Kindes oder Jugendlichen gesorgt wird, der Anreiz zur Selbstständigkeit bleibt bei einem Verbleib von nur 25 Prozent des Nettogehalts allerdings aus. Darüber hinaus müssen die Jugendlichen spätestens nach ihrer Ausbildung eigenen Wohnraum beziehen. Das ist nicht nur ein Schritt, der im Leben eines jungen Menschen sehr bedeutsam ist, dieser Schritt hält auch finanzielle Herausforderungen bereit.
Hinzu kommt die Schieflage im familiären System. Die Pflegeeltern erhalten mit dem Pflegegeld auch eine Entlohnung ihrer erzieherischen Arbeit. Mit dem Kostenbeitrag des Kindes oder Jugendlichen bezahlt dieser plötzlich seine sozialen Eltern dafür, dass sie ihn erziehen. Das kann zu Irritationen führen.