Neuer Amtsvormund bei Umzug

| Jugendamt, Neulich im Amtsgericht, Vormundschaft

Wechsel der Amtsvormundschaft beim Zuständigkeitswechsel des Jugendamtes

 

Wird durch Umzug oder nach Ablauf von zwei Jahren (dann wechselt bei Dauerpflegeverhältnissen die Zuständigkeit) ein anderes Jugendamt zuständig, wird nicht automatisch auch ein neuer Amtsvormund zuständig. Darüber muss das zuständige Amtsgericht entscheiden. Die Prüfung findet völlig unabhängig von der Frage der Zuständigkeit des Jugendamtes statt. Abzuwägen ist der Vorteil der örtlichen Nähe zum Kind gegenüber den Auswirkungen eines Wechsels auf das Kind. Oftmals besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Amtsvormund oder dieser kennt die Geschichte des Kindes schon seit vielen Jahren. Schließlich kommt es darauf an, dass das neue Jugendamt, dann die Abteilung für Amtsvormundschaft/Amtspflegschaft bereit ist, neben der Zuständigkeit in der Sache selbst, auch die Vormundschaft zu übernehmen.

 

Das Oberlandesgericht in Dresden hatte genau diese Frage zu prüfen. Ob der Amtsvormund im Amt bleiben soll, obwohl nun ein anderes Jugendamt, örtlich weit weg, hier knapp 100 Kilometer, zuständig geworden ist.

 

Der letzte Satz des Beschlusses macht die Meinung des OLG klar: „In Anbetracht der Gesamtumstände bleibt es daher auch hier bei dem von der überwiegenden Meinung aufgestellten Grundsatz, dass es dem Wohl eines Kindes in der Regel am besten entspricht wenn die Vormundschaft von dem Jugendamt geführt wird, in dessen Bezirk das Kind auf Dauer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat."

 

OLG Dresden, Beschluss vom 21. Juni 2018, 18 WF 475/18.

 

Sachverhalt

 

Das Mündel einer Vormündin des Jugendamtes Leipzig lebte einige Jahre in einer Pflegefamilie, bis es im August 2016 in eine Wohngruppe einer sozialpädagogischen therapeutischen Jugendhilfeeinrichtung überwechselte. Durch diesen Wechsel blieb das Jugendamt Leipzig - als Wohnort der Pflegeeltern - nicht mehr zuständig, sondern die Zuständigkeit wechselte auf den Salzlandkreis als Wohnort der Eltern des Kindes.

 

Die Vormündin des Jugendamtes Leipzig bat daraufhin beim Familiengericht um die Genehmigung, die Mündelkontakte auf alle zwei Monate zu reduzieren.

 

Anfang 2018 beantragte das Jugendamt der Stadt Leipzig die Entlassung des Jugendamtes im Hinblick auf den Aufenthaltswechsel und dem Mangel eines geeigneten Einzelvormundes die Übertragung der Vormundschaft auf das zuständige Jugendamt Bernburg.

 

Die Vormündin tritt diesem Antrag entgegen und gibt an, dass sie die Abgabe der Vormundschaft an ein anderes Jugendamt nicht als kindeswohldienlich ansehe.

 

Im April 2018 wird daraufhin der Antrag von der Rechtspflegerin auf Wechsel des Vormunds zurückgewiesen. Inzwischen hatte sich der Salzlandkreis grundsätzlich zur Übernahme der Vormundschaft bereitgefunden.

 

Begründung

 

Zur Begründung führt sie (die Rechtspflegerin) aus, es sei eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen, um zu ergründen, ob es dem Kindeswohl entspreche, einen Wechsel in der Vormundschaft zu veranlassen. Dies sei hier zu verneinen. ... habe vor dem Amtsgericht Bernburg deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er auf keinen Fall einen anderen Vormund bekommen möchte. Auch die Wohnbereichsleiterin habe eingeschätzt, dass ein Wechsel in der Person des Vormundes nicht kindeswohldienlich sei. Perspektivisch seien auch wieder Umgänge zur Herkunftsfamilie angedacht, so dass der Kontakt nach Leipzig gehalten werden müsse. Aufgrund des engen und innigen Verhältnisses zwischen ... und Frau ... sei der Antrag auf Wechsel der Vormundschaft abzulehnen.[ ....]

 

Die Frage, ob bei einem Aufenthaltswechsel des Mündels, der zur örtlichen Unzuständigkeit des bisherigen Jugendamts gemäß § SGB_VIII § 87 c Abs. SGB_VIII § 87C Absatz 3 SGB VIII führt, ein Ermessensspielraum des Amtsgerichts besteht, das mit einem Entlassungsantrag des bisherigen örtlichen Jugendamts befasst ist, ist umstritten:

 

Nach der bislang überwiegenden Meinung prüft das Familiengericht in einem solchen Fall nach §§ BGB § 1887, BGB § 1889 BGB unter Kindeswohlaspekten und nicht unter strenger Bindung an die Zuständigkeitsregelung des § SGB_VIII § 87 c Abs. SGB_VIII § 87C Absatz 3 Satz 3 SGB VIII, ob es den bisherigen Amtsvormund entlässt und ein anderes, ortsnäheres Jugendamt zum Vormund bestellt.

 

Nach anderer Auffassung besteht kein Ermessen in diesen Fällen, sondern das Familiengericht sei von vornherein an die örtliche Zuständigkeit gemäß § SGB_VIII § 87 c Abs. SGB_VIII § 87C Absatz 3 SGB VIII gebunden, da die Bestimmungen des SGB VIII – dies folge aus § SGB_VIII § 56 Abs. SGB_VIII § 56 Absatz 1 SGB VIII – als lex specialis dem BGB vorgingen.

 

Letztlich bedarf die Frage vorliegend indes keiner Entscheidung des Senats, da hier ein Abweichen von der Zuständigkeitsregelung des § SGB_VIII § 87 c Abs. SGB_VIII § 87C Absatz 3 SGB VIII nicht aus Gründen des Kindeswohls veranlasst ist:

 

Zwar haben die Ermittlungen des Amtsgerichts ergeben, dass ... zu Frau ... eine enge Bindung entwickelt hat und es aus seiner Sicht sowie aus Sicht alter Beteiligten daher grundsätzlich zu befürworten wäre, dass sie die Aufgaben der Vormundschaft fortführt. Auf der anderen Seite ist die Führung der Vormundschaft von Leipzig aus mit dem Hindernis der weiten räumlichen Entfernung belastet, weshalb Frau ... bereits um eine Reduzierung der persönlichen Besuche bei ... – auf alle 2 Monate – gebeten hat. Ein Mitarbeiter des ortsnäheren Jugendamtes könnte dagegen ... öfter besuchen und wäre auch im Eilfall schneller persönlich anwesend. Die Bestellung des ortsnahen Jugendamtes als Vormund würde zudem dem erklärten Ziel der Amtsvormundschaft entsprechen, ... möge lernen, sein Lebensumfeld im ... als dauerhaften Lebensmittelpunkt anzunehmen und zu akzeptieren. Frau ... stellt für ... ein Bindeglied zu Leipzig dar, zu seinem früheren Leben und der Pflegefamilie. Aus der objektiven Sicht des Kindes, das im ... einen Neuanfang starten soll, entspricht es seinem Wohl vor diesem Hintergrund objektiv besser, einen Vormund zu erhalten, dessen Person nicht mit der Vergangenheit verknüpft ist. Es sind schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ... aufgrund einer persönlichen Disposition einen Wechsel der Vormundschaft psychisch nicht zumutbar verkraften könnte und es daher geboten sein könnte, von der gemäß § SGB_VII § 87 c SGB VII grundsätzlich gebotenen Entlassung des Jugendamts Leipzig abzusehen. Mit dem Umzug nach ... hat man ... vielmehr bereits in ein komplett neues Lebensumfeld entlassen und mit dieser Entscheidung gezeigt, dass aus Sicht des Vormunds Vertrauen darin besteht, dass ... diesen Wechsel, der seine gesamten Lebensumstände betrifft, bewältigen kann. Vor diesem Hintergrund ist es ihm auch zuzutrauen, dass er einen Wechsel in der Person des Vormunds, auch wenn dies anfangs möglicherweise schwierig ist, verkraften wird, zumal seine engsten Bezugspersonen, seine Betreuer und Erzieher, sich ohnehin in seinem neuen Umfeld befinden, zu denen er alltäglich Kontakt hat und die mit ihm seinen Alltag leben. Letztlich muss bei der zu treffenden Abwägung auch in den Blick genommen werden, dass ... einen rechtlich gesicherten Anspruch darauf, dass Frau ... weiterhin die Aufgaben der Vormundschaft ausübt, selbst dann nicht hat, wenn das Jugendamt Leipzig weiterhin Vormund bliebe: Denn die Übertragungsentscheidung nach § SGB_VIII § 55 Abs. SGB_VIII § 55 Absatz 2 SGB VIII steht als behördeninterner Verwaltungsakt im behördlichen Ermessen. Sie kann so theoretisch auch gegen den Willen des Mündels erfolgen (vgl. Staudinger/Veit, BGB, 2014, § 1791 b Rdn. 18). Nach Aktenlage hat hier auch bereits ein solcher Wechsel der zuständigen Mitarbeiterin stattgefunden: Den Bericht vom 10.05.2013 hat noch Frau ... als zuständige Mitarbeiterin nach § SGB_VIII § 55 SGB VIII unterzeichnet. Frau ... trat gegenüber dem Amtsgericht erstmals mit Bericht vom 20.06.2014 (Bl. 30 ff. d.A.) in Erscheinung.

 

In Anbetracht der Gesamtumstände bleibt es daher auch hier bei dem von der überwiegenden Meinung aufgestellten Grundsatz, dass es dem Wohl eines Kindes in der Regel am besten entspricht wenn die Vormundschaft von dem Jugendamt geführt wird, in dessen Bezirk das Kind auf Dauer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.