Haftung für Schäden durch ein Pflegekind

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 Kinder, die in Pflegefamilien leben und aufwachsen, haben oft (in der Regel) eine bewegte und „besondere" Lebensgeschichte. Auch schon in jungen Monaten. Vernachlässigung, Unaufmerksamkeit, fehlende Sicherheit über den Lebensmittelpunkt, manchmal traumatische Erfahrungen setzen dem Kind zu. Und seiner Umgebung. Darum ist die Frage der Haftung für Schäden durch das (traumatisierte) Pflegekind für Pflegeeltern eine ganz besonders wichtige Frage. Denn ein zerkratztes Auto in der Nachbarschaft, ein angezündeter Carport im Dorf oder die zertrümmerte Brille des Mitschülers führen nicht nur zu finanziellen Folgen. Oft ist auch der Friede dahin, alle zeigen auf das (schwererziehbare) Kind und sagen „siehste". Als Rechtsanwalt sind Fälle, in denen jahrelang friedlich und glücklich nebeneinander lebende Familien wegen einer Schramme im Mercedes, die die Versicherung nicht zahlt, plötzlich Feinde werden, nicht selten. In einem Fall musste eine Familie aus ihrem Heimatdorf ausziehen, weil die Versicherung den Schaden durch einen abgebrannten Carport nicht ersetzt hat. Die Dorfgemeinschaft konnte und wollte die Anwesenheit der „schuldigen" Familie, die noch nicht einmal Schadenersatz leistet, nicht mehr ertragen.

 

Darum ist es wichtig, die Grundsätze der Haftung im deutschen Zivilrecht in den Grundzügen zu verstehen und für eine ausreichende und richtige Versicherung zu sorgen.

 

Kinder und Jugendliche haften nur unter bestimmten Voraussetzungen für einen Schaden, den sie anderen zufügen:

 

  • Bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres sind Kinder nicht deliktsfähig, d. h. sie können aufgrund eines Schadens, den sie verursacht haben, nicht in Haftung genommen werden.
  • Ab Vollendung des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sind Kinder/Jugendliche bedingt deliktsfähig. In diesem Alter sind Minderjährige für einen verursachten Schaden nicht verantwortlich, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht nicht hatten. Ob dies der Fall ist, kann nur unter Bezugnahme auf den konkreten Fall beantwortet werden.
  • Bei Schäden im motorisierten/fließenden Straßenverkehr ist die Altersgrenze zum vollendeten 10. Lebensjahr angehoben. Bei einem Unfall mit einem Kfz, Schienen- oder Schwebebahn sind Kinder erst nach Vollendung des zehnten Lebensjahres deliktsfähig. Damit wollte man die Rechtsstellung von Kindern bei Unfällen im Straßenverkehr verbessern.
  • Bei Unfällen ohne Beteiligung eines Kfz, einer Schienen- oder Schwebebahn bleibt es dagegen bei der Grundnorm (§ 828 Abs. 3 BGB), wonach Deliktsfähigkeit ab dem vollendeten siebten Lebensjahr vermutet wird.

 

Ein sehr verbreiteter Rechtsirrtum ist die pauschale Behauptung, dass (Pflege-) Eltern für die Kinder haften. Richtig ist lediglich, dass (Pflege-) Eltern für Schäden, die die Kinder verursacht haben, dann in Haftung genommen werden können, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben (§ 832 BGB). Sie müssen also selbst in ihrer Person eine gesetzlich vorgegebene Pflicht schuldhaft verletzt haben.

 

Art und Umfang der Aufsichtspflicht wiederum richten sich ebenso nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Die konkrete Ausgestaltung der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, sowie danach, was den (Pflege-) Eltern in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Es kommt somit darauf an, was verständige (Pflege-) Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um eine Schädigung Dritter durch das Kind zu verhindern.

 

Die Anforderungen an eine Aufsichtspflicht erhöhen sich entsprechend, wenn das Kind bereits in der Vergangenheit auffällig gewesen ist, einen vorsätzlichen Schaden verursacht oder sogar bereits eine Straftat begangen hat. (Pflege-) Eltern haben ihre Kinder so zu betreuen, dass andere keinen Schaden nehmen. Dabei muss diese Aufsichtspflicht je nach Alter Eigenart und Charakter des Kindes keine „Rund-um-die-Uhr-Bewachung" sein. Die Aufsichtspflicht kann auch zeitweise auf Dritte übertragen werden, z. B. vertraglich an einen Kindergarten. Wenn dabei etwas passiert, wäre die Einrichtung verantwortlich.

 

Das bekannte Schild an Baustellen „Eltern haften für Ihre Kinder" ist insofern irreführend, da dies nur der Fall sein kann, wenn sie ihre eigene Aufsichtspflicht verletzt haben. Baustellen haben auf abenteuerlustige Kinder eine große Anziehungskraft und können daher durchaus – trotz aller Vorsichtsmaßnahmen– von Kindern betreten werden. Sofern dabei ein Unfall passiert/ Schaden eintritt wäre sicherlich auch (und vielleicht primär) zu überprüfen, ob der Baustellenbetreiber seiner Verkehrssicherungspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist, um das Betreten durch Kinder zu verhindern.

 

In jedem Fall ist es aus rechtlicher Sicht dringend zu raten, sich durch einen Haftpflichtversicherungsvertrag abzusichern. Hierbei sollte im Rahmen des Vertragsschlusses auch ganz klar bestimmt werden, dass die (Pflege-) Kinder in den Vertrag mitaufgenommen sind. Auch bei Bestehen eines Haftpflichtversicherungsvertrages zahlt der Versicherer nicht immer. Wenn zum Beispiel ein nicht deliktsfähiges Kind (z. B. 6 Jahre) die Kraftfahrzeuge der Nachbarn zerkratzt und eine Aufsichtspflichtverletzung der (Pflege-) Eltern nach den Umständen des Falles nicht in Betracht kommt, wird auch der Versicherer nicht zahlen, da unter Umständen kein haftungsrechtlich relevantes Verhalten vorliegt und der Versicherer nicht zahlen muss. Da in einem solchen Fall der nachbarschaftliche Frieden auf dem Spiel steht, gibt es bei Haftpflichtversicherungen in aller Regel auch einen zusätzlichen Versicherungsschutz für deliktsunfähige Personen. Auch hierauf sollte man bei der Wahl des richtigen Versicherungsvertrages das Augenmerk richten.