Eklat um Ausbildungsvertrag
Jeremie war sechs Monate alt, als er aus der leiblichen Familie herausgenommen wurde und in eine Pflegefamilie zog. Dort lebte er (glücklich und zufrieden) 16 Jahre lang. Er machte seinen Schulabschluss und plante, auf einer Fachschule den Beruf des "Pflegeassistenten" zu lernen. Dazu brachte er unter anderem die Unterschrift seiner immer noch sorgeberechtigten, leiblichen Mutter. Die weigerte sich zu unterschreiben. Jeremie lebte im Haushalt ihrer Schwester als Pflegemutter, was ihr von Anfang an nicht passte. Sie schrieb zurück, Jeremie können wieder bei ihr wohnen.
Er habe schon immer zur Polizei gehen wollen, dafür werde sie sorgen. Die Fachschule halte sie für Quatsch. Den Ausbildungsvertrag werde sie nicht unterschreiben. Die Pflegeeltern zogen vor das Familiengericht. Die leibliche Mutter müsse angewiesen werden, den Vertrag zu unterschreiben. Am Besten sei es, wenn ihr gleich die ganze Sorge entzogen und auf sie als Pflegeeltern oder das Jugendamt übertragen werde. Es kam zur mündlichen Anhörung. Die leibliche Mutter zeigte sich uneinsichtig. Das Kind wolle zur Polizei. Das wisse sie. Das habe er ihr immer wieder gesagt.
Der Wunsch, "Pflegeassistenz" zu werden, hatten ihm die Pflegeeltern aufgezwungen. Diese bräuchten schließlich jemand, der sie im Alter pflege. Die Verfahrensbeiständin warf an dieser Stelle ein, dass Jeremie selbst ihr ganz deutlich gesagt habe, dass dieses sein eigener Berufswunsch sei. Egal, die leibliche Mutter war nicht überzeugt. "Jeremie ist nicht gerade der Hellste. Der ist total leicht beeinflussbar". Jetzt bat die Rechtsanwältin der leiblichen Mutter um das Wort. "Jeremie sei verhaltensauffällig und leicht behindert. Er sei schließlich ein Pflegekind". Jetzt wurde es hässlich. Der Rechtsanwalt der Pflegeeltern wurde richtig wütend. Es seine Frechheit, Pflegekinder als grundsätzlich behindert zu bezeichnen. Jedes Kind sei ein Kind. Auch Kinder, die in einer Pflegefamilie aufwachsen würden. Das sei genauso, als wenn man sagen würde, alle Ausländer seien kriminell und alle Juden geldgierig. Das "Gespräch" wurde lauter. Die Richterin unterbrach die Sitzung. Die Anwälte funkelten sich wütend an. Die leibliche Mutter unterschrieb schließlich, auf massiven Druck der Richterin und gegen den ausdrücklichen Rat ihrer Anwältin den Ausbildungsvertrag. Das Verfahren war beendet, die Akte wurde geschlossen. Bis zum nächsten Mal.