Sorgerecht - Impfen ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung

| Sorgerecht, Gerichtsurteil

Immer wieder fragen sich Pflegeeltern, was sie im Rahmen ihrer Alltagsvollmachten nach § 1688 BGB eigentlich alles dürfen. Ohne dass Mutter, Vater oder Jugendamt zustimmen müssen. Das Gesetz spricht nur von „alltäglichen" und „wesentlichen" Entscheidungen,. Was damit im Einzelnen gemeint ist, müssen immer wieder Gerichte, mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen entscheiden. Jetzt hat der Bundesgerichtshof, immerhin das höchste deutsche Zivilgericht zum Thema Impfen entschieden: Das Impfen ist wesentlich und darf nur mit Zustimmung der Inhaber der elterlichen Sorge (leibliche Eltern oder Amtsvormund) angeordnet werden. Ein Grund mehr für Pflegeeltern, sich um die Übertragung der Vormundschaft auf sich selbst zu kümmern.

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 3. Mai 2017 zum Aktenzeichen XII ZB 157/16 hat die eine grundlegende Entscheidung getroffen. Danach ist die Schutzimpfung eines Kindes ist immer eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Sie ist damit nicht von der allgemeinen Alltagsvollmacht gedeckt.

 

Der Bundesgerichtshof (kurz: BGH) stellte zunächst klar, dass die Durchführung von Schutzimpfungen grundsätzlich eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind darstelle. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind nur solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf das auf die Entwicklung des Kindes hätten. Impfungen seien dagegen Entscheidungen, die nicht häufig vorkommen. In der Regel entfällt die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine Infektionskrankheit geimpft werden soll nur einmal an. Darüber hinaus könne die Entscheidung nur schwer abgeändert werden. Im konkreten Fall hatte der BGH den leiblichen Vater als besser geeignet angesehen, über die Durchführung der Impfungen des Kindes zu entscheiden. Das läge unter anderem daran, dass der Vater eine Haltung an dem Empfehlungen des Robert Koch Instituts orientiert. Dazu führt der BGH aus:

 

„Die Kommission ist beim Robert-Koch-Institut eingerichtet. Sie hat als sachverständiges Gremium gemäß § 20 Abs. 2 Satz 3 IFSG die Aufgabe, Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten zu geben und Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung zu entwickeln. Zweck des Infektionsschutzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern (vgl. § 1 Abs. 1 IFSG). Impfungen dienen demnach dem Wohl des Einzelnen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung und in Bezug auf die Gefahr einer Weiterverbreitung dem Gemeinwohl. Auch mit dem letztgenannten Aspekt haben sie einen Bezug zum Schutz des individuellen Kindeswohls, weil das Kind – wenn es etwa noch nicht im impffähigen Alter ist – von der Impfung anderer Menschen, insbesondere anderer Kinder, und der damit gesenkten Infektionsgefahr profitiert."

 

Der BGH hat damit abschließend geklärt, dass Entscheidungen über Impfungen von erheblicher Bedeutung für das Kind (und damit auch für die Eltern) sind. Die Entscheidungen muss der oder müssen die Inhaber der elterlichen Sorge treffen. Haben kleibliche Eltern die gemeinsame elterliche Sorge inne, müssen sie darüber gemeinsam entscheiden.