Übertragung der Vormundschaft
Das Kind lebte seit vier Jahren in der Pflegefamilie. Im Alter von fast zwei Jahren wurde es aus dem mütterlichen Haushalt herausgenommen und nach einem "Zwischenstopp" (acht Monate) in einer Bereitschaftspflegefamilie in die (Dauer-) Pflegefamilie gegeben. Umgang mit den leiblichen Eltern fand nie statt.
Die Pflegeeltern beantragten irgendwann die Übertragung der Vormundschaft auf sie. Was auch ohne zu Zögern vom Amtsgericht angeordnet wurde. Warum, wieso, weshalb auch immer - das Kind musste vier Jahre später ausziehen. Zu schwierig, zu traumatisiert, zu bedürftig. Eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung wurde gesucht.
Vormund und Jugendamt konnten sich anschließend nicht einigen, in welche Einrichtung das Kind umziehen solle. Das Jugendamt war der Auffassung, es müsse ein Haus in der Nähe zum Wohnort der leiblichen Mutter (über 200 km vom Haus der Pflegefamilie entfernt) sein. Man sei als Jugendamt verpflichtet, Kind und leibliche Eltern zusammenzuführen. Darum müsse die leibliche Mutter (die das Kind seit über vier Jahren nicht gesehen hatte), die Chance für regelmäßige Besuche haben.
Die Pflegeeltern und das Kind meinten, die Einrichtung müsse in der Nähe zu ihrem Wohnort liegen, schließlich sei dort das Zuhause des Kindes. Das fand der Junge allerdings auch. "Ich will nicht so weit weg von Mama und Papa". Egal, das Jugendamt stellte einen Antrag auf Übertragung der Vormundschaft zurück auf das Jugendamt. Wegen "missbräuchlicher Ausübung". Die Rechtspflegerin lud zum Termin. Und fragte die Pflegeeltern (ernsthaft): "Warum wollen Sie denn die Vormundschaft überhaupt behalten? Wenn das Kind nicht mehr bei Ihnen wohnt, haben Sie doch nichts mehr mit dem Fall zu tun?"
Fassungslosigkeit bei den (Pflege-) Eltern. Kurze Diskussion mit der Rechtspflegerin über soziale Elternschaft (ist grundrechtlich geschützt), den Wunsch des Kindes bei (sozialer) Mutter und (sozialem) Vater zu bleiben und der Tatsache, dass es seit über vier Jahren keinen Kontakt zur leiblichen Mutter gäbe. "Na gut". Seufzte schließlich die Rechtspflegerin. Dann ist es wohl besser, wenn eine Einrichtung in der Nähe zu Haus der Pflegefamilie gefunden wird. Diese seien aber verpflichtet, nun endlich wieder dafür zu sorgen, dass Umgang zur leiblichen Mutter stattfinde. Sei der wieder angelaufen, müsse erneut überprüft werden, ob ein Umzug in die Nähe der leiblichen Mutter in Betracht komme". Das Jugendamt nahm seinen Antrag zurück. Schließlich hatte das Gericht deutlich gemacht, dass es gegen eine Einrichtung sei, die das Jugendamt für richtig hielt.
Übrigens: Die Diskussion über die Auswahl einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für das siebenjährige, schwer bedürftige Kind wurde beim Familiengericht, Abteilung Rechtspflegerin geführt. Nicht beim Verwaltungsgericht. Hätte die Rechtspflegerin sich von den Argumenten des Jugendamtes überzeugen lassen, hätte es locker die Vormundschaft entzogen.