Kostenerstattungsanspruch – Übernahme einer Vollzeitpflege

| Allgemein, Gerichtsurteil

 

Landessozialgericht München, Urteil vom 16. November 2017 (/L 8 SO 284/16)

 

Kostenerstattungsanspruch - Übernahme einer Vollzeitpflege

 

Können die leiblichen Eltern das eigene Kind nicht erziehen, weil sie erziehungsunfähig sind, und ist die Vollzeitpflege geeignet und notwendig um dem Kind das zu geben, was es braucht, besteht ein Rechtsanspruch der Personensorgeberechtigten auf diese Hilfe. Die Geeignetheit und Notwendigkeit der Vollzeitpflege ist insbesondere dann zu bejahen, wenn familienunterstützende ambulante Maßnahmen (Familienhilfe, Erziehungsbeistand) nicht mehr ausreichen und ein Verbleib des Kindes in der Herkunftsfamilie deshalb nicht möglich ist. Neben der Jugendhilfe kann auch die Eingliederungshilfe (Sozialamt) in Form der Betreuung in einer Pflegefamilie zuständig sein.

 

Die Voraussetzungen dieser Grundlagen für die Vollzeitpflege hat das Landessozialgericht München in einem ausführlichen Beschluss dargelegt. Es lohnt sich, diesen Beschluss zu lessen. Entscheidend ist, dass die Pflegeeltern dem Kind FAMILIE geben sollen. Wenn Bindungen entstehen, das Kind Mama und Papa sagt und bei der flegeoma, dem Pflegeopa und dem leiblichen (Geschwister-) kind der Pflegeeltern von seiner Familie spricht, dann ist das richtig und genau das, was der gesetzgeber will. Das verstehen leider viele fachlich beteiligte Personen nicht. Es gibt immer wiedser gerade Mitarbeiter/innen von Jugendämtern, die darauf hinweisen, dass Pflegeeltern "Dienstleister" sind und dafüre sorgen sollen, dass die Kinder ihre Bindung und Beziehung zur leiblichen Familie nicht verlieren, sondern durch familiÄre Beziehungen zur Pflegefamilie ersetzen.

 

Tatbestand

 

Gegenstand des Verfahrens ist die Erstattung von Kosten, die der Kläger (die Bezeichnung der Beteiligten aus dem erstinstanzlichen Verfahren wird beibehalten) als Träger der Jugendhilfe in Form von Pflegegeldzahlungen (Erziehungsbeitrag und Unterhaltsbedarf) und sonstigen einmaligen Beihilfen für den beigeladenen A. (G.) im Zeitraum vom 01.01.2008 bis zu dessen Volljährigkeit (12.04.2016) erbracht hat. Der Anspruch richtet sich gegen den beklagten überörtlichen Träger der Sozialhilfe.

 

Der 1998 geborene G. ist körperlich (spastische Bewegungsstörung bei bilateraler Cerebralparese im Sinne einer schwersten statomotorischen Behinderung mit Geh- und Stehunfähigkeit) und geistig (psychomentale Entwicklungsverzögerung) behindert. Nach der Geburt in der 28. SSW wurden bei ihm eine Gehirnblutung

 

und ein Hydrozephalus festgestellt. Es erfolgte eine Versorgung mit Ventilen; neben der linksseitigen Spastik besteht eine Sehbeeinträchtigung. G. ist seit 15.02.2008 Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen „B", „G", „H" (gültig ab 14.10.1999) und „aG". Die Mutter des Beigeladenen verstarb bei seiner Geburt. Sein Vater, dem das Sorgerecht entzogen wurde (Beschluss des Amtsgerichts E-Stadt vom 09.05.2000), verstarb im Jahre 2007. G. lebte seit seiner Geburt bei Pflegeeltern; die Pflegemutter ist die Halbschwester seiner verstorbenen Mutter. Die Pflegeeltern wurden auf Betreiben des Jugendamtes des Klägers durch Beschluss des Amtsgerichts E-Stadt vom 09.05.2000 als Vormund bestellt.

 

In einem ärztlichen Attest vom 01.03.2000 wiesen die behandelnden Kinderärzte Dres. G. darauf hin, die Pflege von G. sei sehr aufwendig. Er brauche regelmäßige krankengymnastische Übungen, die täglich auch zu Hause durchgeführt werden müssten. Die Pflegemutter sei voll in die krankengymnastischen Maßnahmen sowie in die Frühfördermaßnahmen integriert. Für G. sei es sehr wichtig, in einer Familie aufzuwachsen. Seit 2001 besuchte G. Einrichtungen des heilpädagogischen Förderzentrums (HPZ) E- Stadt. Einem sonderpädagogischen Gutachten von Juni 2001 zufolge ist G. wegen der körperlichen Beeinträchtigungen, aber auch der erheblichen kognitiven Entwicklungsbeeinträchtigungen ein intensiv förderbedürftiges Kind, das in allen Lebens- und Lernbereichen auf intensivste Hilfestellungen angewiesen sei. Im Herbst 2005 wurde G. im HPZ E-Stadt (Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung) eingeschult. Nachmittags besuchte er die angegliederte heilpädagogische Tagesstätte und erhielt dort regelmäßig Krankengymnastik.

 

In den Hilfeplänen des Jugendamtes wurden als wesentliche Zielsetzungen die gezielte Förderung des G. hinsichtlich seiner Behinderung und das Aufwachsen in stabilen familiären Beziehungen genannt. Ziel sei der Erhalt der Pflegefamilie, da sonstige Alternative nur eine Heimunterbringung wäre (Hilfeplan vom 22.05.2002; Aktennotiz der Sozialpädagogin vom 08.09.2003). Im Hilfeplan vom 09.11.2010 hieß es, die Pflegeeltern eigneten sich für G. das notwendige Fachwissen an und machten auch die zusätzlichen stetigen Übungen zu Hause. Sie leisteten erheblichen pflegerischen Mehraufwand. Die erfreuliche Entwicklung von G. sei diesem Engagement zu verdanken.

 

Mit Bescheid vom 19.03.2004 gewährte der Kläger den Pflegeeltern rückwirkend zum 01.09.2003 Hilfe zur Erziehung durch Übernahme des Pflegegeldes für Vollzeitpflege gemäß § 27 iVm § 33 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Weitere Bewilligungsbescheide ergingen am 23.03.2005, 15.06.2005, 17.06.2009, 28.12.2009, 26.03.2010, 18.06.2010 und 14.02.2012.

 

Seit dem 01.01.2011 trug der Beklagte die Kosten der Betreuung von G. in der heilpädagogischen Tagesstätte des HPZ E-Stadt an fünf Tagen pro Woche als Eingliederungshilfemaßnahme (Bescheide vom 15.09.2010 und vom 25.11.2010).

Mit Schreiben vom 30.10.2009, beim Beklagten am 16.11.2009 eingegangen, beantragte der Kläger auf Grund des mit Wirkung vom 05.08.2009 neu eingefügten § 54 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beim Beklagten die Fallübernahme zum nächstmöglichen Zeitpunkt und meldete Kostenerstattung für die Zeit ab dem 05.08.2009 an.

 

Der Beklagte bat den Kläger zunächst um weitere Übernahme der monatlichen Pflegepauschalen. Mit Schreiben vom 20.06.2012 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung schließlich ab und wies darauf hin, die Behinderungen des Beigeladenen seien nicht so schwerwiegend, dass sie eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe erfordern würden.

 

Tatbestandsvoraussetzung des § 54 Abs. 3 SGB XII sei aber, dass durch die Unterbringung in der Pflegefamilie ein behinderungsbedingter Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werde. Die Notwendigkeit der Aufnahme in eine Pflegefamilie sei hier aber durch den Ausfall der Eltern erforderlich geworden; damit lasse sich keine Zuständigkeit des Beklagten nach § 54 Abs. 3 SGB XII begründen. Kinder mit vergleichbarem Behinderungsbild lebten bei ihren Eltern.

 

Der Kläger hat am 19.12.2012 Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) auf Erstattung der Kosten ab 01.01.2008 und auf Fallübernahme erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, der geistig und körperlich behinderte Beigeladene brauche erhebliche und durchgehende Unterstützung in allen lebenspraktischen Bereichen und zwar in Form einer „rund-um-die Uhr-Betreuung". G. gehöre zum grundsätzlich leistungsberechtigten Personenkreis i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Ob andere Umstände für den Hilfebedarf mit ursächlich seien, habe keinen Einfluss auf die Eingliederungshilfe nach Maßgabe des § 54 Abs. 3 SGB XII. Die Unterbringung in einer geeigneten Pflegefamilie sei Leistungsgegenstand der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII wie auch Inhalt der Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII lösten bei körperlich, geistig oder mehrfach behinderten Kindern kongruente Leistungspflichten den Vorrang der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII aus, wobei es hierfür auf den Schwerpunkt des Bedarfs nicht ankomme. Durch die Unterbringung in einer Pflegefamilie werde die Unterbringung in einer vollstationären Einrichtung des Beklagten vermieden. Für den gesamten Hilfebedarf sei der Beklagte vorrangig zuständig.

 

Der Beklagte hat auf die Klage erwidert, Eingliederungshilfe werde bereits geleistet für den Besuch der Schule im HPZ E-Stadt. Eine Anwendung von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII scheide aus, da deckungsgleiche Ansprüche nicht vorlägen. Die Unterbringung des Beigeladenen in einer Pflegefamilie sei nur wegen des Versterbens der Eltern erfolgt. Die Pflegeeltern erbrächten über die Erziehungsleistung hinaus keine der Eingliederungshilfe vergleichbare Leistungen. Der krankengymnastische Bedarf werde durch Fachkräfte sichergestellt; die Pflegeeltern verfügten insoweit über keine entsprechende fachliche Qualifikation.

 

Das SG hat nach Anforderung von Befundberichten der behandelnden Ärzte ein sozialmedizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Die gerichtlich bestellte Sachverständige, Frau Dr. I. H., kam nach einem Hausbesuch am 03.03.2015 in ihrem Gutachten vom 12.03.2015 sowie der ergänzende Stellungnahme vom 13.04.2015 zum Ergebnis, dass der Beigeladene auf Dauer körperlich, geistig und seelisch behindert sei. Er sei in sämtlichen Bereichen auf Hilfe angewiesen. Die Pflege werde durch beide Pflegeeltern übernommen; alleine könne diese die Pflegemutter nicht durchführen. Durch die Betreuung in der Pflegefamilie werde der Aufenthalt des Beigeladenen in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden. Die Pflegefamilie habe von Anfang an in umfangreicher Weise an den therapeutischen Maßnahmen mitgewirkt. Eine Alternative zur Unterbringung in der Pflegefamilie oder einem Heim gebe es nicht, da der Betreuungsumfang erheblich größer sei, als er in einem ambulant betreuten Wohnen oder einer betreuten Wohngemeinschaft gewährleistet sei. Dem ärztlichen Attest von Frau Dr. G. vom 01.03.2000 zufolge sei die Pflegemutter auch in die krankengymnastischen Übungen und die Frühfördermaßnahmen integriert. Der Pflegevater achte immer wieder auf die richtige physiologische Körperhaltung im Alltag. Die Pflegeeltern erbrächten sowohl hinsichtlich der auch vorliegenden seelischen Behinderungen als auch bezüglich der orthopädischen Störungen therapeutische Leistungen.

 

Das SG hat mit Urteil vom 05.05.2015 der zuletzt auf unbezifferte Erstattung der Kosten ab 01.01.2008 gerichteten Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 01.01.2008 die von ihm verauslagten Kosten für den Beigeladenen zu erstatten mit Ausnahme der Kosten für die Sicherung des Lebensunterhalts sowie der Kosten für einmalige Beihilfen und Zuschüsse in der Zeit bis 04.08.2009. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Entscheidung im Parallelverfahren S 11 SO 98/12 ES verwiesen. Dort wurde ausgeführt, es sei hier von einem Anspruch sowohl auf Jugendhilfeleistungen als auch auf Eingliederungshilfeleistungen auszugehen. § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII setze lediglich das Bestehen konkurrierender Leistungsansprüche voraus. Es komme entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf an, dass seiner Ansicht nach der Schwerpunkt der Hilfeleistung im Besuch des HPZ E-Stadt

 

gelegen und der Beklagte dafür die Kosten der Eingliederungshilfe getragen habe, während in den Pflegefamilien mangels Qualifikation die erforderlichen therapeutischen Leistungen nicht hätten erbracht werden können. Nach dem Gutachten der Sachverständigen müsse von einer geistigen und körperlichen Behinderung ausgegangen werden, womit auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 3 SGB XII vorlägen. Nach dem unmissverständlichen Gesetzestext sei allein das formale Kriterium der Gleichartigkeit der Leistungspflichten für die Vorrangregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII maßgeblich.

 

Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 3 SGB XII setze nicht voraus, dass zusätzlich auch in der Pflegefamilie sonderpädagogische Leistungen der Wiedereingliederung erbracht würden. Jede Unterbringung eines behinderten Kindes in einer Pflegefamilie sei Eingliederungshilfe. Diese Zuordnung habe typisierend erfolgen sollen, ohne dass auf das unmittelbare Ausmaß der in der Pflegefamilie geleisteten Eingliederungshilfe abgestellt werden müsse. Nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen stehe fest, dass der Beigeladene in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe hätte aufgenommen werden müssen, wenn er nicht in der Pflegefamilie aufgenommen worden wäre. Der Anspruch sei auf die Zeit bis zur Volljährigkeit begrenzt, da der Wortlaut des § 54 Abs. 3 SGB XII von Kindern und Jugendlichen spreche.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist teilweise begründet, soweit sie den Erstattungsanspruch des Klägers für den Zeitraum bis 04.08.2009 betrifft. Für diesen Zeitraum ist der Beklagte wegen der Versäumung der Ausschlussfrist durch den Kläger nicht zur Erstattung verpflichtet, so dass das Urteil des SG insoweit aufzuheben war. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen, da das SG den Beklagten für die Zeit ab 05.08.2009 (bis 12.04.2016) zu Recht zur Erstattung der dem Kläger für den Beigeladenen G. entstandenen Kosten dem Grunde nach verurteilt hat.

 

In zeitlicher Hinsicht ist der Streitgegenstand durch den vom Kläger gestellten Antrag auf die Zeit vom 01.01.2008 bis 12.04.2016 (Volljährigkeit des Beigeladenen) beschränkt. Der Kläger hatte im erstinstanzlichen Verfahren Kostenerstattung bis längstens 12.04.2016 begehrt. Das SG verurteilte den Beklagten zur Kostenerstattung ab 01.01.2008 zwar ohne zeitliche Begrenzung. Bei ergänzender Betrachtung der Urteilsgründe wird jedoch deutlich, dass die Verurteilung sich auf die Erstattung der Kosten bezog, die bis längstens zur Volljährigkeit des Beigeladenen vom Kläger aufgewandt wurden bzw. noch aufzuwenden waren. Nur ergänzend wird seitens des Senats darauf hingewiesen, dass das SG im Urteil vom 05.05.2015 den Beklagten nicht zukunftsoffen ab 01.01.2008 zur Erstattung dem Grunde nach hätte verurteilen dürfen, da ein Grundurteil auch bei einer Klage auf eine Geldleistung nur für die Vergangenheit möglich ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig / Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, Kommentar, 12. Aufl. 2017, § 130, Rdnr. 2a unter Verweis auf Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, Loseblattwerk,

§ 130, Rdnr. 10).

 

Richtigerweise hätte daher für die Zeit ab Urteilsverkündung in der mündlichen Verhandlung am 05.05.2015 die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme des Falles in eigener Zuständigkeit festgestellt werden müssen, wie es der Kläger auch im Klageschriftsatz vom 19.12.2012 beantragt hatte (vgl. auch die Rechtsprechung des Senats zur Zulässigkeit eines Grundurteils im Erstattungsstreit und zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage hinsichtlich der Fallübernahme für die Zukunft: Bayerisches LSG, Urteil vom 20.12.2016 - L 8 SO 314/12). Für die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren spielte diese Frage allerdings keine Rolle mehr, da der Erstattungszeitraum bis 12.04.2016 im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung abgelaufen war.

 

Statthafte Klageart ist eine echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, da es sich um einen Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X: Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, vgl. § 104 Abs. 1 S. 2 SGB X.

 

a) Ein - grundsätzlicher vorgehender (vgl. Luik in: Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 14 SGB IX, Rdnr. 124) - Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist nicht gegeben, da diese Vorschrift den Erstattungsanspruch des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers betrifft, der aufgrund der Weiterleitung nach § 14 Abs. 1 SGB IX zuständig wurde. Zudem hat der Kläger die Leistungen der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege erbracht, so dass er nicht als Rehabilitationsträger im Sinne der §§ 6 Abs. 1 Nr. 6, 5 Nr. 1, 2 oder 4 SGB IX tätig geworden ist. Dass der Kläger den Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 30.10.2009 nach der Vorschrift des § 14 Abs. 4 SGB IX angemeldet hat, ist unerheblich, da die Anmeldung des Erstattungsanspruchs jedenfalls hinreichend konkret erfolgte (s. dazu die noch folgenden Ausführungen unter Ziffer 2).

 

b) Ein Fall des § 103 Abs. 1 SGB X ist nicht gegeben, da der Anspruch der Pflegeeltern des G. auf Hilfen zu Erziehung nach §§ 27, 33, 39 SGB VIII nicht nachträglich entfallen ist.

 

c) Es liegt auch kein Fall von § 102 SGB X vor, bei dem ein aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig leistender Träger einen Erstattungsanspruch gegen den verpflichteten Träger hat. Hierbei muss der Wille des die Erstattung begehrenden Leistungsträgers, entweder für einen anderen oder im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar sein (vgl. Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 102, Rdnr. 6). Zwar hatte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 13.01.2010 gebeten, die monatlichen Pflegepauschalen wegen noch bestehenden Klärungsbedarfs durch den Verband der bayerischen Bezirke weiter zu übernehmen. Der Kläger hat die Leistungen an die Pflegeeltern jedoch nicht vorläufig bewilligt, sondern endgültig.

 

Der Erstattungsanspruch für die Zeit ab 05.08.2009 wurde vom Kläger rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X angemeldet. Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Die Frist beginnt mit Ablauf des Leistungszeitraums, § 111 Satz 1 SGB X. Bei wiederkehrenden Leistungen ist der jeweilige Teilzeitraum (etwa Monat) erheblich, für den jeweils geleistet wird. In diesem Fall entstehen für die jeweiligen Leistungsabschnitte Teil-Erstattungsansprüche (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2000 - B 2 U 24/99 R; BSG, Urteil vom 01.04.1993 - 1 RK 16/92; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.03.2016 - L 2 SO 67/14;

Mutschler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Aufl. 2013, § 111 SGB X, Rdnr. 28; Becker in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: Dezember 2013, § 111, Rdnr. 40; Kater in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 96. EL September 2017, § 111 SGB X, Rdnr. 39).

 

a) Der Kläger hat die Leistungen der Vollzeitpflege nach §§ 27, 33, 39 SGB VIII für G. laut den ergangenen Bewilligungsbescheiden monatlich bewilligt, so dass hier auf diese jeweiligen Teilzeiträume, für die die Leistungen festgesetzt wurden, abzustellen ist. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs für die Zeit ab 05.08.2009 mit Schreiben vom 30.10.2009, beim Beklagten am 16.11.2009 eingegangen, erfolgte damit unproblematisch innerhalb der Zwölfmonatsfrist des § 111 Satz 1 SGB X. Sie lässt auch die Umstände, die für das Entstehen des Erstattungsanspruchs maßgebend sind, erkennen und bezeichnet den Zeitraum, für den Sozialleistungen erbracht und bewilligt wurden bzw. werden (vgl. Roller in: von Wulffen/Schütze, SGB X, Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 111, Rdnr. 13). Dass der Kläger bei der Geltendmachung die falsche Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch benannt hat, ist unerheblich, da an das Geltendmachen keine überzogenen formalen Anforderungen zu stellen sind; dem Schreiben des Klägers lassen sich jedenfalls der Rechtssicherungswille und das Erstattungsbegehren sowie die wesentlichen Umstände des Erstattungsanspruchs entnehmen (vgl. Mutschler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 1. Aufl. 2013, § 111 SGB X, Rdnr. 17).

 

§ 111 Satz 2 SGB X ist vorliegend nicht einschlägig, da eine Entscheidung des Beklagten als erstattungspflichtiger Leistungsträger über den Anspruch des Beigeladenen auf Eingliederungshilfeleistungen für die Vergangenheit nicht mehr zu ergehen hatte. Nach § 111 Satz 2 SGB X beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine (richtigerweise: „dessen" Leistungspflicht, vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2005 - B 1 KR 20/04 R) Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

 

Sind aber Sachleistungen bereits erbracht worden, darf der erstattungspflichtige Träger hierüber keine Entscheidung gegenüber dem Berechtigten mehr treffen, da insoweit die Erfüllungswirkung des § 107 SGB X gilt. Mangels Entscheidung wird die Frist nach Satz 2 dann nicht in Gang gesetzt (vgl. Mutschler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 111 SGB X, Rdnr. 31, 33; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.03.2012 L 2 SO 67/14). So liegt der Fall hier. Der Bedarf des Beigeladenen wurde durch die Leistungsbewilligung durch den Kläger bereits gedeckt, so dass im Verhältnis zum leistungsberechtigten Beigeladenen die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X eingetreten ist. Diese besteht auch dann fort, wenn der Erstattungsanspruch nach § 111 SGB X ausgeschlossen ist, da sie nach dem Wortlaut des § 107 Abs. 1 SGB X („soweit ein Erstattungsanspruch besteht") nicht von der Befriedigung des Erstattungsanspruchs im Einzelfall abhängig ist (vgl. Becker in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: April 2012, § 107 SGB X, Rdnr. 13; Roller in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 107, Rdnr. 5).

 

b) Eine Erstattung der Aufwendungen des Klägers, die vom 01.01.2008 bis zum 04.08.2009 angefallen sind, scheitert dagegen an der Ausschlussfrist des § 111 SGB X, da der Kläger diese Aufwendungen erstmals mit Klageerhebung am 19.12.2012 geltend gemacht hat. § 111 SGB X begründet eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, so dass der Erstattungsanspruch nach Ablauf der Ausschlussfrist untergeht. Die Versäumnis der Frist ist von Amts wegen zu beachten (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2000 - B 8 KN 3/98 U; BSG, Urteil vom 23.09.1997 - 2 RU 37/96; Roller in: von Wulffen/Schütze, SGB X, Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 111, Rdnr. 16). Vorliegend hatte der Kläger seinen Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 30.10.2009 (eingegangen beim Beklagten am 16.11.2009) ausdrücklich nur für die Zeit ab 05.08.2009 angemeldet und gebeten, den Hilfefall zum nächstmöglichen Zeitpunkt in eigener Zuständigkeit zu übernehmen. Dabei hat der Kläger konkret auf die neue Fassung des § 54 Abs. 3 SGB XII Bezug genommen, die zum 05.08.2009 in Kraft getreten ist. Erstmals mit Erhebung der Klage am 19.12.2012 beantragte der Kläger, den Beklagten zur Kostenerstattung bereits ab 01.01.2008 zu verurteilen. Diese Geltendmachung lag weit außerhalb der Zwölfmonatsfrist des § 111 Satz 1 SGB X.

 

Für die Zeit ab 05.08.2009 (bis 12.04.2016) hat der Kläger einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

a) § 104 SGB X setzt voraus, dass gestufte Leistungspflichten mindestens zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1985 - 4a RJ 13/84 und Urteil vom 25.01.1994 - 7 RAr 42/93; BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 5 C 30/12). Vorliegend ist das Konkurrenzverhältnis zwischen den Leistungen des Klägers als Jugendhilfeträger und des Beklagten als dem für die Eingliederungshilfe zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger streitig. Der Beigeladene hatte vom 05.08.2009 bis 12.04.2016 im Hinblick auf seine Betreuung in der Pflegefamilie sowohl einen Anspruch auf Leistungen nach §§ 27, 33 SGB VIII gegen den Kläger als Jugendhilfeträger (s. dazu unter 3 b) als auch einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII gegen den Beklagten (3c), der auch den Unterhaltsbedarf erfasst (3d). Wegen § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII war der Beklagte vorrangig zur Leistung verpflichtet (3e) und hat daher nach § 104 SGB X die Aufwendungen des Klägers dem Grunde nach zu erstatten.

 

b) Der Kläger hat an die Pflegeeltern des Beigeladenen rechtmäßig Leistungen der Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 und 39 SGB VIII erbracht (Bescheide vom 17.06.2009, 28.12.2009, 26.03.2010, 18.06.2010, 14.02.2012). Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII besteht ein Rechtsanspruch der Personensorgeberechtigten auf Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Gemäß § 33 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen. Nach § 39 Abs. 1 SGB VIII wird dabei auch der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sichergestellt, der die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen umfasst.

 

Liegt ein Erziehungsdefizit vor und ist die Vollzeitpflege geeignet und notwendig, um dieses Defizit zu beseitigen oder abzumildern, besteht ein Rechtsanspruch der Personensorgeberechtigten auf diese Hilfe. Eine Geeignetheit und Notwendigkeit der Vollzeitpflege ist insbesondere dann zu bejahen, wenn familienunterstützende ambulante Maßnahmen zur Beseitigung der defizitären Erziehungssituation nicht mehr ausreichen und ein Verbleib des Kindes in der Herkunftsfamilie deshalb nicht möglich ist (vgl. Nellissen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 33, Rdnr. 19). Vorliegend waren beide leibliche Eltern des G. verstorben, so dass ein Erziehungsdefizit vorlag. Die Unterbringung von G. bei den Pflegeeltern, die sich ausweislich der Hilfepläne fürsorglich um G. kümmerten und diesen optimal förderten, war notwendig und geeignet, um dieses Defizit zu beseitigen. Dass diese Hilfe zur Erziehung vorliegend rechtmäßig erbracht wurde, ist nicht anzuzweifeln und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

 

c) Der Beigeladene hatte ab 05.08.2009 (bis 12.04.2016) auch einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe für die Betreuung in der Pflegefamilie nach §§ 19 Abs. 3, 53, 54 Abs. 3 SGB XII gegen den Beklagten.

 

Sachlich zuständig für die Leistung der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 3 SGB XII in der Fassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.07.2009 (BGBl. I S. 2495) war im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII iVm Art. 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGSG der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe.

 

aa) Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Soweit der Zweck der Eingliederungshilfe - nämlich insbesondere, dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. § 53 Abs. 3 Satz 2 SGB XII) - durch die Betreuung in einer Pflegefamilie erreicht werden kann, hat der nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX behinderte Mensch einen entsprechenden Anspruch auf diese Leistung gegenüber dem Träger der Sozialhilfe. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53 Abs. 3 SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern.

 

Hierzu gehört es insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

 

Der Beigeladene gehört zum leistungsberechtigten Personenkreis, da er durch eine körperliche (§ 1 Nr. 1 Eingliederungshilfeverordnung (EinglHV)) und geistige (§ 2 EinglHV) Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in seiner Fähigkeit eingeschränkt ist, an der Gesellschaft teilzuhaben. Er erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Im Gutachten vom 12.03.2015 hat die gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. I. H. festgestellt, dass beim Kläger neben einer erheblichen geistigen Behinderung und einer Sehstörung eine bilaterale Cerebralparese GMFCS Stufe IV vorliege, wobei die Stufe IV bereits eine schwerste Behinderung mit Rollstuhlbedürftigkeit bedeute. Es bestehe keinerlei begründete Aussicht, dass diese Gesundheitsstörungen ganz oder teilweise behoben werden könnten; es handele sich um einen Dauerzustand.

 

Der Teilhabebedarf des Beigeladenen ergibt sich aus den Feststellungen in den Hilfeplänen des Jugendamtes, den sonderpädagogischen Gutachten, den Befundberichten der behandelnden Ärzte, aber auch den Feststellungen der Sachverständigen, wonach G. ein intensiv förderbedürftiges Kind gewesen sei, das in allen Lebens- und Lernbereichen auf intensivste Hilfestellungen angewiesen sei. Dass neben dem Teilhabebedarf die Unterbringung in der Pflegefamilie auch ein Teilhabepotential barg, ergibt sich ebenfalls aus den Feststellungen sowohl der betreuenden Sozialpädagogen, der behandelnden Kinderärztin als auch der gerichtlich bestellten Sachverständigen, wonach G. bei seinen Pflegeeltern optimal gefördert wurde, diese sich auch das notwendige Fachwissen aneigneten und sich G. infolge der Fürsorge, Pflege und Betreuung durch seine Pflegeeltern positiv entwickelt hatte. Notwendig, aber auch ausreichend ist es nach § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, wenn durch die Leistungen der Eingliederungshilfe die Behinderungsfolgen gemildert werden und in diesem Rahmen eine Teilhabe ermöglicht wird. Dies ist hier der Fall. Dass es sich bei den erbrachten Leistungen in der Pflegefamilie um „niedrigschwellige" handelt, nimmt ihnen nicht den Charakter einer Eingliederungshilfeleistung; das Gesetz stellt nur auf die Wesentlichkeit der Behinderung, nicht den quantitativen oder qualitativen (Mindest-)Aufwand für die Hilfeleistung ab (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2017 - B 8 SO 1/16 R). Die gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. H. hat in ihrem Gutachten festgestellt, dass G. in sämtlichen Lebensbereichen auf intensive Hilfe angewiesen ist. Er werde von seinen Pflegeeltern optimal, auch im therapeutischen Sinne gefördert. Nach den Feststellungen in den Hilfeplänen und Aktennotizen der die Familie betreuenden Sozialpädagogin des Klägers stellten die Pflegeeltern nicht nur durch die Betreuung des G. in der Familie, sondern auch durch Kontakte zur Kirchengemeinde, zu Freunden und zu einem der Brüder des Beigeladenen, was für diesen hohe Bedeutung hatte, dessen notwendigen Bedarf an Teilhabe in der Gemeinschaft sicher. Der Beigeladene war unter Berücksichtigung seiner behinderungsbedingten Bedarfe nur mit der Betreuung in der Pflegefamilie in der Lage, nach seinen Möglichkeiten am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, so dass die Maßnahme der Unterbringung in der Pflegefamilie als grundsätzlich geeignete und unentbehrliche zum Erreichen des Eingliederungsziels anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 R).

 

bb) Für die Zeit ab 05.08.2009 waren auch die Voraussetzungen des § 54 Abs. 3 SGB XII erfüllt. Eine Leistung der Eingliederungshilfe ist danach auch die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie, soweit eine geeignete Person, die einer Erlaubnis nach § 44 SGB VIII bedarf, Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht in ihrem Haushalt versorgt und dadurch der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werden kann.

 

aaa) Der Beigeladene wurde im streitgegenständlichen Zeitraum bei seinen Pflegeeltern über Tag und Nacht in deren Haushalt versorgt. Zutreffend hat das SG entschieden, dass unter den in § 54 Abs. 3 SGB XII genannten Voraussetzungen der Gesetzgeber jede erforderliche Betreuung eines behinderten Kindes in einer Pflegefamilie typisierend als Eingliederungshilfe normiert hat und dass die Norm nicht voraussetzt, dass neben der Unterbringung des Leistungsempfängers während des Tages in einer Behindertentagesstätte zusätzlich auch in der Pflegefamilie qualifizierte Leistungen der Wiedereingliederung erbracht werden müssen. Derartige spezielle Anforderungen sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Vorschrift setzt einen deutlich darunter liegenden Maßstab für das Tätigwerden einer Pflegeperson in einer Pflegefamilie. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Zweck des Gesetzes. In der Gesetzesbegründung zur Einfügung des § 54 Abs. 3 SGB XII heißt es: „Anders als das SGB VIII enthält das SGB XII keine Regelung über die Vollzeitpflege in Pflegefamilien. Dies führt in der Praxis dazu, dass seelisch behinderte Kinder oftmals in Pflegefamilien aufgenommen werden, während körperlich und geistig behinderte Kinder in der Regel in vollstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe betreut werden ... Der neue Leistungstatbestand

 

„Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie" stellt sicher, dass Leistungen der Eingliederungshilfe auch für die Betreuung körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher in einer Pflegefamilie gewährt werden. Damit wird erreicht, dass auch diese Möglichkeit als Alternative zur vollstationären Betreuung in Anspruch genommen wird, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht." (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus, BT-Drs.

 

16/13417 vom 17.06.2009, S. 6). Nach dem Gesetzeszweck sollte mit dieser Regelung neben der bis dato bevorzugten Unterbringung von geistig behinderten Kindern in stationären Einrichtungen auch deren Unterbringung in Pflegefamilien ermöglicht werden, wenn es dem Wohle der betroffenen Kinder entspricht. Es sollte erreicht werden, dass auch diese Möglichkeit der Unterbringung als Alternative zur vollstationären Betreuung in Anspruch genommen wird, wenn es dem Wohle des Kindes dient. Beide Unterbringungsmöglichkeiten sollen also gleichberechtigt nebeneinander ermöglicht werden. Damit sollte eine Gleichbehandlung mit seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen erreicht werden und zugleich die üblicherweise aus den unterschiedlichen Leistungszielen resultierende gespaltene Trägerschaft (Sozialhilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe) beendet werden (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG vom 05.05.2015, S. 7, verwiesen, denen sich der Senat anschließt.

 

bbb) Der notwendige Eingliederungshilfebedarf des G. wurde durch die Pflegeeltern als geeignete Pflegepersonen im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB XII gedeckt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu:

 

„Als Pflegepersonen kommen insbesondere solche Personen in Betracht, die im Hinblick auf ihre persönliche Eignung und ihre fachlichen Kenntnisse, aber auch die räumlichen Verhältnisse den spezifischen Bedürfnissen körperlich bzw. geistig behinderter Kinder oder Jugendlicher gerecht werden können. Um das Wohl des Kindes oder Jugendlichen in der Pflegefamilie zu gewährleisten, bedarf die Pflegeperson einer Erlaubnis nach § 44 SGB VIII." (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus, BT-Drs. 16/13417 vom 17.06.2009, S. 6). Es wird seitens des Senats nicht verkannt, dass die Pflegeeltern des beigeladenen G. im streitgegenständlichen Zeitraum bereits fortgeschritteneren Alters waren und laut der Einschätzung der begleitenden Sozialpädagogin auch mitunter damit Schwierigkeit hatten, dem beigeladenen G. die notwendigen Grenzen zu setzen. Es finden sich in den Aktennotizen und Hilfeplänen jedoch wiederholt Hinweise darauf, dass sich der Beigeladene gerade aufgrund der Fürsorge und intensiven Betreuung der Pflegeeltern so gut entwickelt hatte und diese sich die notwendigen Fachkenntnisse im Umgang mit den

 

Behinderungen des Beigeladenen aneigneten, um seinem behinderungsbedingten Bedarf an Förderung und Entwicklung gerecht zu werden. Vermerkt wurde auch der rege Austausch und die beste Zusammenarbeit zwischen den Pflegeeltern, dem Heilpädagogischen Zentrum und der Kinderarztpraxis (vgl. Hilfepläne vom 13.06.2005, vom 22.05.2002, vom 09.11.2010 und vom 16.04.2012). Entscheidend ins Gewicht fällt auch, dass durch den Verweis in § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB XII auch die in § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII geregelten Ausnahmen zur Notwendigkeit einer Pflegeerlaubnis zum Tragen kommen (vgl. auch Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: Juni 2015, § 54, Rdnr. 61). Einer Pflegeerlaubnis im Sinne des § 44 SGB VIII bedurften die Pflegeeltern als Verwandte des Beigeladenen bis zum dritten Grad nicht (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII). Dies sind nach § 1589 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Großeltern, Urgroßeltern, Onkel, Tanten, Geschwister, Neffen und Nichten. Da hierbei nicht zwischen halbbürtigen und vollbürtigen Verwandten der Seitenlinie unterschieden wird (vgl. Staudinger/Thomas Rauscher, BGB, 2011,

 

§ 1589, Rdnr. 9) fällt auch die Pflegemutter als Halbschwester der verstorbenen Mutter des Beigeladenen unter diese Regelung. Der Gesetzgeber hat durch den Verweis auf § 44 SGB VIII zum Ausdruck gebracht, dass grundsätzlich auch Verwandte bis zum 3. Grad als geeignete Pflegepersonen im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB XII in Betracht kommen. Vor diesem Hintergrund würde es die Anforderungen an solche Pflegeeltern weit überspannen, wenn man - wie der Beklagte - forderte, dass diese ähnliche Qualifikationen wie die des Fachpersonals in Einrichtungen der stationären Behindertenhilfe aufweisen müssen.

 

ccc) Zutreffend hat das SG auch ausgeführt, dass durch die Betreuung in der Pflegefamilie der Aufenthalt des Beigeladenen in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden wurde. Nicht notwendig ist bei dieser Betrachtung, dass eine Aufnahme in eine stationäre Einrichtung konkret angedacht wird oder wurde. Vielmehr ist dem Zweck der genannten Vorschrift zu entnehmen, dass Fallgestaltungen, bei denen aufgrund einer Prognose festgestellt werden kann, dass durch die Pflegeeltern der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung „abstrakt" verhindert werden kann, ebenfalls erfasst sind (vgl. VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 14.04.2014 - 3 K 13.870). Hieran hat der Senat aufgrund der Feststellungen der Sachverständigen Dr. H. und der vorliegenden ärztlichen Atteste und Entwicklungsberichte keinen Zweifel. Im Sachverständigengutachten vom 12.03.2015 hat Frau Dr. H. ausgeführt, dass G. - bis auf ein bis zwei Stunden, die er gelegentlich alleine gelassen werden könne - rund um die Uhr intensive Betreuung benötige, da er in sämtlichen Lebensbereichen auf Hilfe angewiesen sei. Die Betreuungsleistungen durch die Pflegeeltern, die den Beigeladenen optimal förderten, seien im Laufe der Zeit gleich umfangreich geblieben. Vorliegend gebe es keine Alternative zur Unterbringung von G. in der Pflegefamilie oder in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe. Ein ambulant betreutes Wohnen oder ein Wohnen in betreuten Wohngemeinschaften würde nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen angesichts der mehrfachen Körper- und Geistesbehinderung des Beigeladenen nicht ausreichen, da der Betreuungsumfang erheblich größer ist. Nach den Feststellungen des MDK Bayern sei die Pflegestufe II zuerkannt und es liege eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz vor (Pflegegutachten vom 14.08.2012). Auch seitens der Sozialpädagogin des Jugendamtes wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Unterbringung des Beigeladenen in der Pflegefamilie weiterhin notwendig sei, da nur so die stationäre Aufnahme in einer Behinderteneinrichtung vermieden werden könne (vgl. zuletzt Hilfeplan vom 08.10.2013). Ebenso zeigt die Tatsache, dass G. während der Erkrankung seines Pflegevaters in der Zeit vom 12.08.2013 bis 01.09.2013 kurzzeitig im Kinderwohnhaus Zwiesel (auf Kosten des Beklagten) untergebracht war, da die Pflegemutter allein nicht zur Betreuung in der Lage war, dass Alternative zur Betreuung in der Pflegefamilie nur die Aufnahme in einer vollstationären Behinderteneinrichtung war.

 

Schließlich spricht auch die Unterbringung des G. seit 01.09.2017 in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe dafür, dass durch die Betreuung bei den Pflegeeltern der Aufenthalt in einer solchen Einrichtung vermieden werden konnte.

 

d) Bei Erfüllung der Voraussetzungen ist der Beklagte nach § 104 Abs. 1 SGB X ab 05.08.2009 - wie das SG zutreffend festgestellt hat - auch insgesamt erstattungspflichtig. Wie sich aus der Änderung des § 28 Abs. 5 SGB XII zum 05.08.2009 - die im Hinblick auf § 54 Abs. 3 SGB XII erfolgte - ergibt, wonach die Unterbringung in einer Pflegefamilie zu einer abweichenden Bemessung der Regelsätze für den notwendigen Lebensunterhalt führt, hat der Träger der Sozialhilfe auch für die mit der Unterbringung verbundenen Kosten zum Lebensunterhalt als einem integralen Bestandteil der Maßnahme aufzukommen (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R, Rdnr. 38).

 

e) Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ergibt sich vorliegend aus der Konkurrenzregelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII, der für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung den Vorrang der Eingliederungshilfe regelt: Abweichend von § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, wonach die Leistungen nach dem SGB VIII denen nach dem SGB XII vorgehen, gehen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach dem SGB VIII vor. Ungeschriebene Voraussetzung dieser Konkurrenzregel ist, dass die Leistungen der Jugendhilfe und der Sozialhilfe gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 - 5 C 26/98; Urteil vom 02.03.2006 - 5 C 15/05; LSG NRW, Urteil vom 28.01.2013 - L 20 SO 170/11; BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 5 C 30/12).

 

Der Beigeladene ist unstreitig sowohl geistig als auch körperlich behindert und hat nach den obigen Ausführungen einen Anspruch auf Eingliederungshilfe gegen den Beklagten nach §§ 19 Abs. 3, 53, 54 Abs. 3 SGB XII. Im Falle bestehender Mehrfachbehinderungen ist dabei nicht auf den Schwerpunkt der Behinderungen, sondern allein auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 - 5 C 26/98). Eine Differenzierung danach, ob der Schwerpunkt des Bedarfs oder Leistungszwecks eher auf der Jugendhilfe oder eher auf der Eingliederungshilfe liegt, ist nicht zulässig. Für den Vorrang der Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII genügt bereits jede Überschneidung der Leistungsbereiche; es ist dafür nicht (weitergehend) erforderlich, dass der Schwerpunkt des Hilfebedarfs bzw. -zwecks im Bereich einer der den Eingliederungsbedarf auslösenden Behinderungen liegt oder eine von ihnen für die konkrete Maßnahme ursächlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.02.2012 - 5 C 3/11).

 

Leistungen nach den §§ 53 ff. SGB XII sind auch dann vorrangig, wenn die Leistungen zumindest auch auf den Hilfebedarf wegen geistiger oder körperlicher Behinderung eingehen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.10.2015 - L 8 SO 122/12; Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 10 SGB VIII, Rdnr. 91.1). Damit kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung, die Betreuung des Beigeladenen nicht in der Herkunftsfamilie, sondern in einer Pflegefamilie vornehmen zu lassen, im Ausgangspunkt auf die Notwendigkeit zur Intervention durch das Jugendamt wegen eines Erziehungsdefizits bei der Betreuung durch den Vater zurückgeht. Ausschlaggebend ist also nicht, dass sich die Notwendigkeit zur Betreuung in der Pflegefamilie durch den Ausfall der leiblichen Eltern ergab, wie der Beklagte meint (vgl. auch VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 14.04.2014 - 3 K 13.870). Entscheidend ist vielmehr allein, ob in der Pflegefamilie neben dem erzieherischen Bedarf auch ein behinderungsbedingter Bedarf gedeckt wird oder nicht (vgl. Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 10, Rdnr.

 

38b; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.02.2011 - L 20 SO 110/08).

 

Die Leistungsidentität verlangt zum einen, um im Erstattungsverhältnis eine Lastenverschiebung zu vermeiden, eine inhaltlich rechtmäßige Leistungserbringung nach den für die eigene Leistung geltenden Vorschriften (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 50/12 R), zum anderen aber, dass die Voraussetzungen der Leistungserbringung auch durch den vorrangig Verpflichteten vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R mit weiteren Nachweisen zur ergangenen Rechtsprechung).

 

Gleichartigkeit der Leistungen liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich auch eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 5 C 30/12). Dies ist hier der Fall. Die in der Pflegefamilie erbrachte Vollzeitpflege ist sowohl Gegenstand der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII als auch Jugendhilfeleistung nach §§ 27, 33, 39 SGB VIII. Beide Leistungen sind deckungsgleich. Die Unterbringung und Betreuung des G. in der Pflegefamilie war auf die Deckung des gesamten, sich aus den verschiedenen Behinderungen des G. ergebenden Bedarfs gerichtet. Dadurch dass die Pflegeeltern nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt haben, sondern auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen des Beigeladenen eingegangen sind, ist der Beklagte im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. insoweit auch SG Aachen, Urteil vom 28.03.2017 - S 20 SO 30/15; BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 5 C 30/12; VG München, Urteil vom 17.12.2014 - M 18 K 12.6247).

 

Für die Beurteilung der Leistungsidentität ist dabei ohne Bedeutung, wem der jeweilige Anspruch nach der Systematik des SGB VIII und des SGB XII zusteht; entscheidend ist nur, dass die Bedarfe derselben Person

 

- vorliegend des Beigeladenen - gedeckt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.2011 - 5 C 6.11; BSG, Urteil vom 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R). Mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, steht damit die Tatsache, dass Empfänger der Jugendhilfeleistungen die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Beigeladenen G. zu gewähren war, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistung nicht entgegen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 5 C 30/12).