Neulich im Amtsgericht 7 – Pädagogik oder Psychologie

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Der kleine Sebastian war sechs Monate alt, als er in die Pflegefamilie kam. In den ersten Jahren war alles gut, dann wurde es schwieriger. Er wurde oft unvermittelt aggressiv, urinierte mitten im Zimmer, warf Sachen durch die Gegend und bedrohte seine beiden kleinen Pflegegeschwister. Man versuchte viel. Schulassistenz, heilpädagogische Tagesgruppe, Spieltherapie, Verdacht auf Autismus, FAS Diagnose. So richtig änderte sich das Verhalten aber nicht. Schließlich entschieden sich die Pflegeeltern schweren Herzens dazu, das Kind auf Vorschlag des Jugendamtes auf einem heilpädagogischen Bauernhof vollstationär unterzubringen. Nach dem Umzug gab es eine sechswöchige Kontaktsperre. Das sei, so das Jugendamt üblich. Als die Zeit um war, fragten die Pflegeeltern nach, wie es denn nun weitergehe. Das Kind, so das Jugendamt bleibe dauerhaft dort. Eine Rückführung sei ausgeschlossen. Das Sorgerecht werde auf die leiblichen Eltern zurück übertragen. Diese seien damit einverstanden, dass Sebastian auf dem Hof lebe.

 

Wenige Tage später dann die Verhandlung beim Familiengericht, von dem die Pflegeeltern zufällig erfuhren. Dort erzählte die neue Bezugsbetreuerin des Kindes von seinen ersten sechs Wochen dort. Er habe sich gut eingelebt und würde sich dort sehr wohlfühlen. Er habe schon Freunde gefunden und sei ein begeisterter Fußballspieler. Besonders gerne kümmere er sich um HANSI, ein graues, schon recht altes Kaninchen. Man merke, wie er auflebe. Es gäbe auf dem Hof feste Regeln, an die halte er sich. Wer dagegen verstoße, bekäme Handyverbot oder müsse Stall- und Hofdienste machen. Feste Regeln seien gerade für Sebastian wichtig. Er habe jetzt auch gelernt, Erwachsene zu grüßen und sich morgens, wenn er zur Schule fahre, zu verabschieden. Tja sagte der Richter, das sei sicher wichtig für so ein Kind, feste Regeln zu haben. Das kenne er von seinen eigenen Kindern. Man müsse nur konsequent sein. Auf die Frage der Pflegeeltern, ob Sebastian denn auch psychologisch betreut werde, schließlich habe er vor der Herausnahme aus der leiblichen Familie schlimme Dinge erlebt, wies die Bezugsbetreuerin darauf hin, dass jede Woche ein Psychologe auf den Hof käme und die Kinder beobachte. Wenn er therapeutischen Bedarf sehe, kläre er das mit dem Jugendamt. Bei Sebastian könne man dazu aber noch nichts sagen. Er sei ein sehr reger, aufgeweckter Junge, der viel einfordere, aber auch viel geben könne. Es sei für ihn ein Glück, dass er diesen Hof gefunden habe. Damit wurden die Pflegeeltern verabschiedet. Sie haben Sebastian nie wieder gesehen.