Neulich im Amtsgericht 5 – Es geht auch anders

| Neulich im Amtsgericht

Neulich im Amtsgericht. Das Kind lebte seit einem Jahr in der Pflegefamilie. Es war drei Monate nach der Geburt aus dem mütterlichen Haushalt herausgenommen worden. Die Mutter hatte keinen festen Wohnsitz, war abhängig von Drogen und arbeitete mit dem Jugendamt nicht zusammen.

 

Der Versuch, beide in einer Mutter-Kind-Einrichtung unterzubringen scheiterte – die Mutter brach die Maßnahme schon nach zwei Wochen wieder ab. Drogen konsumierte sie weiterhin, was sie offen zugab, eine Wohnung hatte sie noch immer nicht. Ihr Partner , der immer an ihrer Seite war, meldete sich zwar als „Vater", konnte aber ein Jahr nach der Geburt noch immer keine Vaterschaftsanerkennung vorweisen. Umgangskontakte waren (über das Gericht) vereinbart – alle zwei Wochen 1,5 Stunden in Begleitung der Pflegemutter. Was nach anfänglichen Problemen auch relativ zuverlässig klappte. Nun, fünf Monate nach der letzten Gerichtsverhandlung, ein neuer Antrag der Mutter: Umgang jede Woche und regelmäßig unbegleitet am Wochenende. Das Ziel sei die „mittelfristige" Rückführung. Dazu müsse umfangreich Umgang stattfinden, damit, falls es dazu komme, eine Rückführung nicht an der fehlenden Bindung zur Mutter scheitere.

 

Die Gerichtsverhandlung dazu war eindeutig – und auf hohem fachlichem Niveau. Die Richterin war erstaunt, dass ein solcher Erweiterungsantrag gestellt werde, obwohl die vereinbarte Regelung gerade erst anlaufe. Die Mitarbeiterin des Pflegekinderdienstes schloss eine Rückführung langfristig aus und warb dafür, die Umgangskontakte keinesfalls auszudehnen, eher zu vermindern. Das Kind könne schließlich nicht solange „aufbewahrt" und „bereitgehalten werden", bis die Mutter irgendwann mal so weit sei, das Kind selbst zu versorgen.

 

Wenn das Kind tatsächlich zurückgeführt werden solle, müsse natürlich ausgeweiteter „Rückführungsumgang" stattfinden. Das sehe sie aber in naher und ferner Zukunft gar nicht. Die Verfahrensbeiständin war (erfrischend) deutlich. Man müsse der Mutter jetzt endlich einmal sagen, dass die Rückführung langfristig ausgeschlossen sei und sie sich einmal klar machen müsse, wie sie sich hier präsentiere. Sie habe noch immer keine Wohnung, konsumiere weiter Drogen und habe noch immer nicht mit therapeutischen Maßnahmen begonnen. Von daher sei der gestellte Umgangserweiterungsantrag „lächerlich" und ohne Substanz. Sie solle sich einmal überlegen, was sie dem Kind und der Pflegefamilie antue. Die Familienhelferin versuchte verzweifelt, das Gute im Bemühen der leiblichen Mutter hervorzuheben und berichtete emotional, wie sehr die Mutter an sich gearbeitet habe und dass sie auf einem guten Weg sei.

 

Die Pflegeeltern waren auch da – offiziell beteiligt und bekamen so erstmals ein „Gesicht". In den vorherigen Verhandlungen waren sie „die Pflegefamilie" und persönlich nicht bekannt. Sie berichteten sehr vernünftig, abgeklärt und sympathisch vom Kind, der Mutter, der Situation und den Umgängen. Sie wünschten sich Ruhe und Frieden: „Wie es früher einmal war". Das Ergebnis: Der Anwalt der Mutter, der anfangs sehr kämpferisch auftrat, nahm den Antrag zurück. Und die leibliche Mutter und die Pflegeeltern gingen noch einen Kaffee trinken.

 

Fazit: So lief es gut. Die Fachleute fanden die richtigen Worte, trauten sich, die richtige Meinung zu sagen, hatten Ahnung von den besonderen Pflegekinderfragen und ließen sich vor allem nicht von der „traurigen" Mutter und dem Bestreben, „Blut und Blut" zusammenzubringen, leiten. Das war erfrischend und selten. In der Regel laufen amtsgerichtliche Termine in vergleichbaren Fällen nicht so elegant ab.