Einzelvormundschaft bei den Pflegeeltern ist besser
Man kann nie sicher sein. Im Fall des OLG Brandenburg wurde der leiblichen Mutter die elterliche Sorge entzogen und dem Jugendamt als Amtsvormund übertragen. Das (zweijährige) Kind lebte zu diesem Zeitpunkt schon seit über einem Jahr in der Pflegefamilie und war dort gut eingebunden. Was das Jugendamt, Allgemeiner sozialer Dienst, allerdings nicht so sah. Die fanden, das Kind gehöre in eine Einrichtung. In der Pflegefamilie würde es nicht richtig betreut, die Bindung zu den Pflegeeltern sei unsicher.
Um die Herausnahme durch das Jugendamt zu verhindern, ordnete das Amtsgericht daher neben der Vormundschaft auch das Verbot der Herausnahme bis zum Ablauf des laufenden Schuljahres an. Es sah die Sache nämlich genauso wie die Pflegeeltern: Das Kind sei dort gut verwurzelt und dürfe keinesfalls in eine Einrichtung überführt werden.
Diese Anordnung wurde nun vom OLG kassiert. Das habe der Amtsvormund in eigener Kompetenz zu entscheiden. Eine Herausnahme dürfe diesem nicht von vorneherein verboten werden. Fazit: Besser ist es, man übt als Pflegeeltern selbst die Vormundschaft aus. Dann ist man sicher, dass das Kind bleiben kann. Ansonsten muss man unbedingt das Ohr nah am Geschehen behalten und umgehend einen Verbleibensantrag stellen, wenn der Amtsvormund zuckt und das Kind doch zur Unzeit herausnehmen will.
Erfahrungsgemäß bietet sich auch das Verfassen einer „Schutzschrift" an. Dann ist man sicher, beteiligt zu werden, wenn der Vormund die Herausnahme plant.
Wird den Eltern die elterliche Sorge für ein Kind entzogen und das Jugendamt zum Vormund bestellt, darf dem Vormund regelmäßig nicht zugleich präventiv untersagt werden, vor Ablauf eines bestimmten Zeitpunktes den jetzigen Aufenthaltsort des Kindes bei einer Pflegeperson ohne vorherige gerichtliche Anhörung zu verändern.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.5.2016 - 10 UF 11/15
I. Durch den angefochtenen Beschluss hat der Amtsgericht der Mutter die elterliche Sorge für das Kind entzogen und das Jugendamt zum Vormund bestellt, dem Vormund untersagt, vor Ablauf des Schuljahres 2015/16 den jetzigen Aufenthaltsort des Kindes bei der Pflegefamilie ohne vorherige gerichtliche Anhörung zu verändern, insbesondere dahingehend, dass vor Ablauf des Schuljahres 2015/16 eine Fremdunterbringung des Kindes in einer Wohneinrichtung erfolgt. Das Jugendamt hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat das Jugendamt ausgeführt, es führe die Vormundschaft grundsätzlich selbstständig aus. Das Gericht habe zwar die Aufsicht, dürfe aber nicht an Stelle des Vormunds handeln und bindende Anweisungen geben.
II. Die Beschwerde des Jugendamtes ist begründet.
Der Vormund führt sein Amt selbstständig und in eigener Verantwortung. Das Familiengericht hat sich auf die Beratung, Aufsicht und die für das Wohl des Mündels notwendigen Eingriffe in die Amtsführung des Vormunds zu beschränken. Allein der Vormund hat die erforderlichen Entscheidungen im Rahmen der Personen- und Vermögenssorge und als gesetzlicher Vertreter des Mündels, §1793 Abs. 1 Satz 1 BGB, zu treffen. Das Gericht darf in der Regel weder selbst noch für den Mündel handeln noch dem Vormund - über die gesetzlichen Regelungen hinausgehende- bindende Anweisungen in Fragen erteilen, die bei der alleinigen Entscheidungskompetenz des Vormunds unterliegen. Mithin ist dem Familiengericht bei der Ausübung seiner Aufsichtstätigkeit Zurückhaltung geboten und es darf in Zweckmäßigkeitsfragen, die im Ermessen des Vormunds liegen, nicht an seiner Stelle entschieden. Das Familiengericht ist nach diesen Grundsätzen und dem ausdrücklichen Wortlaut des §1837 Abs.2 Satz 1 BGB in der Erteilung von Weisungen, die ein Gebot oder Verbot enthalten, auf die Fälle pflichtwidrigen Verhaltens des Vormunds beschränkt. Eine präventive Weisung ist nur berechtigt, wenn die auf Tatsachen begründete Besorgnis besteht, der Vormund werde pflichtwidrig handeln. Eine (zu besorgende) Pflichtwidrigkeit liegt jedoch nur dann vor, wenn der Vormunde gegen bestimmt formulierte gesetzliche Regelungen verstößt, (zulässigerweise erteilte) gerichtliche Anordnungen nicht befolgt oder seinen Aufgabenkreis überschreitet.
Nach den vorstehenden Grundsätzen ist die in der Entscheidung ausgesprochene Weisung an das Jugendamt als Vormund nicht gerechtfertigt. Allein der Umstand, dass das Jugendamt im erstinstanzlichen Verfahren den weiteren Verbleib des Kindes im Haushalt der Pflegeeltern als Kindeswohl gefährdend eingeschätzt hat, rechtfertigt nicht die Annahme,, das Jugendamt werde als Vormund pflichtwidrig handeln. Beim Jugendamt ist für die Vormundschaft nicht der allgemeine, soziale Dienst (AsD), sondern der Bereich "Amtsvormundschaften" zuständig, so dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass eine bisher mit dem Fall nicht befasste Person die Vormundschaft ausübt. Diese Person wie auch das Jugendamt als Behörde wird sich bei der Wahrnehmung der mit der Vormundschaft verbundenen Aufgaben insbesondere von dem leiten lassen, was das Amtsgericht unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens dazu bewogen hat, den angefochtenen Beschluss zu erlassen. Dies gilt namentlich für die besonders enge Beziehung zwischen dem Kind und den Pflegeeltern. Dessen ungeachtet kann dem Vormund nicht von vornherein untersagt werden, nach sorgfältiger Prüfung und rechtzeitiger Vorbereitung auch vor Ablauf des Schuljahres 2015/16 eine Fremdunterbringung des Kindes vorzunehmen, wenn dies nach Einschätzung des Vormunds aus Gründen des Kindeswohls geboten ist. Dem Eingreifen einer solchen Maßnahme zur Unzeit könnte mit einer Verbleibensanordnung gemäß §1632 BGB begegnet werden, die nicht nur bei einem Herausgabebegehren der Eltern in Betracht kommt.