Kommentar: Es ist zum Verzweifeln

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Pflegekinder kindeswohlorientiert aufwachsen zu lassen, wird immer schwieriger. Die Ideologie der „zwei Familien" ist kaum zu knacken.

 

Alle Beteiligten, ob Eltern, Jugendamt, Familiengericht, Familienhelfer oder Sachverständige, sind so zutiefst davon überzeugt, dass es nicht richtig ist, wenn ein Kind nicht bei seinen leiblichen Eltern lebt, dass sie alles versuchen, diesen vermeintlichen Irrtum der Geschichte zu korrigieren.
Die Baustellen des Kindes werden gar nicht gesehen. Es wird ausschließlich darüber diskutiert, wann, wie oft und wie das Kind (endlich) wieder seine leiblichen Eltern sehen darf. Es wird von "Sehnsucht" gesprochen. Von einer "natürlichen Verbindung". Von Identitätsproblemen, Loyalitätskonflikten und negativer Beeinflussung durch Pflegeeltern, die nur an sich denken würden und Angst hätten, das Kind wieder zu verlieren.

 

Alle Argumente verhallen. Das Kind benötigt Sicherheit. Das Kind benötigt Kontinuität. Das Kind benötigt Ruhe, Verlässlichkeit und eine sichere Familie. Nutzlos. Die Beteiligten sind so sehr davon überzeugt, dass die Situation falsch ist, dass sie diese Argumente nicht hören können.
Pflegeeltern sind und bleiben die „falschen" Eltern. Das muss auf Biegen und Brechen korrigiert werden.

 

Es ist zum Verzweifeln. Der Vorhalt, das Kind hat gerade andere Probleme zu bewältigen (Traumabearbeitung, Bindungsaufbau, Angstabbau) zählt nicht. Nur und ausschließlich muss alles getan werden, damit das Kind so viel Zeit wie möglich mit seinen leiblichen Eltern verbringen kann. Nur das ist richtig, nur das hilft dem Kind.
Das macht die Kinder systematisch kaputt. Sie bekommen keine Chance, sich kindeswohlorientiert zu entwickeln. Ihre Bedürfnisse werden ignoriert. Pflegeeltern wird mit der Herausnahme gedroht, wenn sie diesen „natürlichen Wunsch" des Kindes nicht unterstützen. Auffälligkeiten werden auf Fehlverhalten der Pflegeeltern, die das Kind "für sich haben wollen", geschoben. Das Kind gerät aus dem Blick.

 

So kann es nicht weitergehen. So kann kaum noch empfohlen werden, ein Kind als Pflegekind aufzunehmen. Es wird nicht in Ruhe gelassen. Es wird ihm keine Chance gegeben, sich zu einer starken Persönlichkeit zu entwickeln, damit es dann stark genug ist, sich der Herausforderung der Auseinandersetzung mit der Herkunft zu stellen. Es wird die Mär von den "zwei Familien" erfunden. Die Folge: Die Pflegefamilie ist zur Versorgung und Aufbewahrung, zur Bereithaltung für die leiblichen Eltern da. Die richtige Familie ist die Herkunftsfamilie, die Pflegeeltern sind nur notwendiger (Zwischen-) Ersatz. Wenn hier nicht endlich der Gesetzgeber die Rechte der Pflegekinder stärkt, werden noch mehr Kinder seelisch zerstört. Das geht so nicht weiter.