Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

| Rechte des Pflegekindes und der Pflegeeltern

Die (sozialpädagogische und psychologische) Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) ist nicht leicht. Die jungen Leute kommen aus vielen verschiedenen Ländern. Sie sprechen oft völlig unbekannte Sprachen und wenn, nur gebrochenes englisch. Sie sind größtenteils auf sich alleine gestellt. Sie orientieren sich an Adressen unbekannter Personen oder an Treffen von Menschen aus ihrer Region, denen es ähnlich geht. Sie sind eigentlich alle durch Ereignisse in ihrer Heimat und vor allem die oft monatelange Flucht traumatisiert. Die meisten sind emotional deutlich jünger als es ihr Alter aussagt. Das wahre Alter ist oft unbekannt. Viele wissen selbst nicht so genau, wann sie geboren sind, Urkunden sind in der Regel nicht vorhanden. Manche 14 – jährige Jungen stehen vor einem und man denkt, da steht ein erwachsener Mann.

 

Die Städte und Gemeinden, die einen UMF erstmalig „aufgreifen" stellen sich dieser Herausforderung. Manche mehr, manche weniger. Derzeit diskutiert wird die Möglichkeit, UMF quotenmäßig auf die Bundesländer zu verteilen. Ein Vorschlag, der hoffentlich bald wieder vergessen ist. Denn Kinder, die per Quote einer Kommune zugewiesen werden, werden dort im Zweifel auch nur als „Quotenvorgang" behandelt. Mit einer solchen Einstellung kann man kein Kindeswohl fördern.

 

In einigen Kommunen, insbesondere denen, die besonders viele UMF zu betreuen haben, werden Pflegefamilien gesucht und ausgebildet, die sich dieser jungen Menschen annehmen. Eine schwierige Aufgabe. Denn sich in eine neue Familie in einem völlig anderen Kulturkreis zu integrieren ist schon schwer genug. Hinzu kommen die besonderen Herausforderungen aufgrund der traumatischen Erfahrungen. Viele bleiben zudem nicht lange und schließen sich in der neuen „Heimat" lieber anderen Jugendlichen aus der Heimat an, als sich auf eine deutsche Pflegefamilie einzulassen. Hinzu kommt, dass alle UMF einen Vormund, in der Regel einen Amtsvormund an die Seite gestellt bekommen haben, mit dem es gilt zusammenzuarbeiten. Der ist oftmals überfordert mit komplizierten rechtlichen Fragen und der Art und Weise dieser jungen Menschen, Angebote anzunehmen und auf Anforderungen der deutschen Bürokratie einzugehen.

 

Die Anforderungen an diese Pflegefamilien sind daher immens. Sie erfordern viel Einfühlungsvermögen, emotionale Stärke und eine enge Anbindung an die Berater entsprechender Fachstellen (Jugendamt, SKF, freie Träger). Dennoch ist die Jugendhilfemaßnahme Vollzeitpflege oftmals die beste und sinnvollste Lösung für UMF. Hie haben sie die Chance, eng gebunden durch unsicheres sowie emotional, rechtlich und persönlich schwieriges Terrain geleitet zu werden.

 

Ausländern im Alter von unter 16 Jahren muss Jugendhilfe nach dem SGB VIII gewährt. Sie werden nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII vom Jugendamt (automatisch) in Obhut genommen weil die Tatsache, dass sie sich unbegleitet, ohne gesetzlichen Vertreter in Deutschland befinden als Kindeswohlgefährdung angesehen wird. Die Kinder und Jugendlichen müssen in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, nicht in Unterkünften des Ausländeramtes, untergebracht werden. Die Unterbringung erfolgt oft in Wohngruppen mit Vollzeitpflege oder in anderen betreuten Wohnformen. Leider handelt es sich mancherorts nicht um echte Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, sondern um (niedrigschwellige) „Sonderunterkünfte" für UMF mit weniger Personal und weniger Qualität. Die UMF haben aber einen rechtlichen Anspruch darauf, vollständig mit „echter" Kinder- und Jugendhilfe versorgt zu werden.

 

Dort wird dann von Sozialpädagogen und Erziehern Betreuung und Unterstützung geleistet. Manche der Einrichtungen sind ausschließlich für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge da. Außerdem muss minderjährigen Flüchtlingen ein Vormund gestellt werden, welcher die gesetzliche Vertretung übernimmt und sie auch in einem etwaigen Asylverfahren unterstützt. Das Jugendamt wir automatisch als Amtsvormund bestellt, sobald der UMF „aufgegriffen" wird. Er hat jedoch jederzeit die Möglichkeit zu beantragen, dass ihm ein ehrenamtlicher Einzelvormund an die Seite gestellt wird.

 

Sind die Kinder und Jugendlichen in einer Einrichtung untergebracht beginnt sofort das so genannte „Clearingverfahren". Innerhalb dieses Verfahrens sollen Informationen zur Staatsangehörigkeit und über die Fluchtgründe erlangt werden. Es soll in Erfahrung gebracht werden ob das Kind oder der Jugendliche Verwandte hat, welche sich in Deutschland oder einem anderen europäischen Land aufhalten. Ein sehr wichtiger Punkt ist auch die Klärung der gesundheitlichen Situation (physisch wie psychisch) in welcher sich der Flüchtling befindet. Das Clearingverfahren hat zum Ziel mehr über den Betroffenen zu erfahren um den erzieherischen Bedarf zu ermitteln und Perspektiven für seine Zukunft zu entwickeln. Während des Verfahrens wird auch entschieden ob wirklich ein Asylantrag gestellt werden soll. Je nach Bundesland variiert die Ausgestaltung und Dauer des Clearingverfahrens. Während dieser Zeit wird der Flüchtling je nach vorhandenen Sprachkenntnissen und bisheriger Schulbildung außerdem in einen passenden Sprachkurs sowie eine adäquate Bildungseinrichtung vermittelt. Ist der erzieherische Bedarf festgestellt worden verbleibt das Kind oder der Jugendliche in der bisherigen Jugendhilfeeinrichtung (sofern diese nicht nur ausschließlich für das Clearingverfahren zuständig ist) oder es wird eine andere, für seine Situation und sein Alter geeignetere, Form des Wohnens für ihn gesucht.

 

Mögliche Wohnformen im Rahmen der Jugendhilfe sind die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII oder die sonstige betreute Wohnform nach § 34 SGB VIII.

 

Die Unterbringung in einer kinder- und jugendgerechten Einrichtung bedeutet für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sich nach einer oft langen und traumatischen Flucht zum ersten Mal in einem geschützten Raum zu befinden. Die pädagogische Betreuung hilft ihnen sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden. Die Pädagogen fördern wenn nötig alltagspraktische Fähigkeiten und informieren und befähigen die Jugendlichen zum Umgang mit dem für sie völlig unbekannten deutschen Versorgungs- und Behördensystem (Zugang zur Gesundheitsversorgung, Umgang mit Ausländerbehörden). Denn sobald sie das 18. Lebensjahr erreichen müssen sie sich meist alleine in Deutschland zurechtfinden und ihre Rechte selbstständig einfordern können.
Es ist daher unbedingt zu unterstützen, dass die Städte und Kommunen sich an die Aufgabe machen, gute und kompetente Pflegefamilien für UMF zu suchen und zu betreuen. Orte, in denen ein System solcher Pflegestellen existiert, haben einen echten Qualitätsvorsprung. Diesen dann nur noch nach einer Quote unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zuzuweisen würde bestehenden Systeme zerstören oder gar nicht erst entstehen lassen. Das kann nicht im Sinne der bedürftigen Kinder aus Armut, Not und Verfolgung sein.