Rechte des Pflegekindes und der Pflegeeltern
(Text vom www.aktionsbuendnis-praxis.de, ein Zusammenschluss engagierter PraktikerInnen mit folgenden Zielen: Wir stellen Forderungen und geben Anregungen an die Politik mit dem Ziel der Einflussnahme. Wir PraktikerInnen möchten der Politik die Möglichkeit geben, von unseren Kenntnissen unmittelbar zu profitieren. Wir wollen Qualität von Pflegeverhältnissen und die Kontinuität einer engen fachlichen Begleitung sichern. Wir wollen einen direkten Bezug zwischen Praxis und PraktikerInnen sowie Politik und PolitikerInnen herstellen. Wir sind unzufrieden mit geltenden Gesetzen, da diese sich häufig zum Nachteil von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auswirken. Wir wollen eine Plattform schaffen für PraktikerInnen, unabhängig von Verbänden, Einrichtungen und Institutionen. Auf unserer Internet-Präsenz stellen wir Ihnen die von uns erkannten Missstände, unsere rechtlichen Überlegungen und unsere Forderungen eingehend dar).
...Pflegeeltern sind Eltern nur auf Zeit!?
Ja und nein! Abgesicherte Pflegeverhältnisse gibt es nach der aktuell gültigen Rechtslage nicht, sagt der Gesetzgeber. Häufig ist es aber so, dass das Ziel der Hilfeplanung, bei auf Dauer angelegter Vollzeitpflege, die Integration und das Aufwachsen der Pflegekinder in der Pflegepflege ist. Offen gehaltene Perspektivenplanungen mit der Option zur Rückführung können in dazu gut vorbereiteten Bereitschaftspflegefamilien erfolgen. Alle beteiligten professionellen Kräfte stehen während der Bereitschaftspflegezeit in der Verantwortung Parallelprozesse zur Klärung der Perspektive einzuleiten.
Eltern sollen nach der Trennung vom Kind sofort die Unterstützung erhalten die notwendig ist, um zeitnah wieder die Alltagsverantwortung für ihr Kind übernehmen zu können. Familiengerichte werden informiert und können Weisungen erteilen. Sind Rückführungen nicht realisier ist eine Lebensperspektive für das Kind z.B. in einer Pflegefamilie zu planen. Dann lautet ein Ziel der Hilfeplanung, die Integration des Pflegekindes in der Pflegefamilie.
Kontinuität sichernde Planungsperspektiven fördern gute Entwicklungsbedingungen für Pflegekinder in Pflegefamilien. Die rechtliche Absicherung auf Dauer angelegter Pflegeverhältnisse sollte, wie in anderen Ländern bereits praktiziert, bundesdeutsche Gesetzeslage werden.
Mittelfristige Planungen mit Rückführungsoptionen für kleine Kinder in Pflegefamilien stellen eine große Herausforderung dar, die im Zusammenspiel zwischen Elternrecht und Kindeswohl häufig auf dem Rücken der Pflegefamilie ausgetragen werden. Die planungsverantwortlichen Stellen im Jugendamt sollten in diesen Fällen Plätze im stationären Bereich, z.B. familienanaloge Wohnformen belegen und nicht z.B. aus Kostengründen auf eine Pflegefamilie zurückgreifen.
Was können potentielle Bewerber tun? Bewerber sind Privatfamilien, die im Rahmen ihrer Familienplanung mit einem Pflegekind wissen müssen, auf was sie sich einlassen. Bewerber müssen im Vorfeld der Vermittlung gut vorbereitet sein und entscheiden, was die Familie leisten kann und will. Dazu gehört auch die Klärung und Beantwortung der Frage: Können offene gehaltene Perspektivenplanungen mitgetragen werden oder nicht? Professionelle Dienste müssen sagen können, was für das Kind gebraucht wird. Pflegefamilien können vieles aber nicht alles leisten. (Andreas Sahnen).
„Die machen das nur wegen des Geldes!"
Das Statistische Bundesamt Deutschland hat auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (neuere Zahlen gibt es leider nicht) ausgerechnet, dass die Konsumausgaben für ein Kind im Jahr 2003 durchschnittlich 550 Euro im Monat betrugen. In diesem Betrag sind die Ausgaben für Wohnen, Nahrungsmittel, Kleidung und Verkehr enthalten. Die Pro-Kopf-Ausgaben je Kind sinken allerdings mit steigender Kinderzahl, weil ein guter Teil an Möbeln, Kleidung und sonstiger Grundausstattung vom ersten Kind an seine Geschwister „weitervererbt" wird. Die durchschnittlichen Konsumausgaben für das zweite Kind lagen 2003 deswegen bei 474 Euro und für das dritte Kind bei 452 Euro.
Freilich gibt eine Statistik immer nur Durchschnittswerte an; die tatsächlichen Konsumausgaben für Kinder sind sehr unterschiedlich und hängen vor allem davon ab, welches Haushaltseinkommen zur Verfügung steht. Haushalte mit Paaren und einem Einkommen von bis zu 1.717 Euro im Monat gaben 2003 durchschnittlich 325 Euro für ihr Kind aus, Paare mit einem Haushaltseinkommen von mehr als 5.427 Euro dagegen 862 Euro.
Natürlich hängt es auch vom Lebensalter eines Kindes ab, was es kostet. Je älter das Kind, desto teurer wird es. Das Statistische Bundesamt gibt die durchschnittlichen Ausgaben je Kind und Monat für unter Sechsjährige mit 468 Euro, für Sechs- bis unter Zwölfjährige mit 568 Euro und für Kinder im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren sogar mit 655 Euro an.
Angesichts der gestiegenen Preise für Wohnen und Verkehr ist anzunehmen, dass die Konsumausgaben pro Kind heute um zehn bis 15 Prozent höher liegen als 2003. Besonders teuer ist auch das erste Lebensjahr des ersten Kindes in einer Familie, weil dann viele Anschaffungen anstehen, vom Fläschchen bis zum Bettchen.
Empfehlungen des Dt. Vereins für 2014:
0-6 Jahre 504 €
6-12 Jahre 584 €,
12-18 € 671 €.
Die Empfehlungen entsprechen also durchaus der Summe, die Eltern – also auch Pflegeeltern – für ihre Kinder ausgeben. Pflegeeltern erhalten dazu noch Beihilfen für bestimmte Situationen im Leben des Kindes, die einen besonderen Mehraufwand bedeuten: Einschulung, Konfirmation, Kommunion, Urlaub etc. Für die Kosten der Erziehung empfiehlt der Deutsche Verein für 2014 235 €. Dieses Geld erhalten die Pflegeeltern als Dankeschön der Gesellschaft für die Aufgabe, die sie übernommen haben, als sie das Kind in ihrer Familie aufnahmen. Bei Kindern mit besonderem erhöhtem Bedarf liegt diese Summe höher, bei dem 2, 3 oder 4fachen. (Henrike Hopp)
Alleinerziehend? Geht gar nicht!!!
Ein Kind in Pflege zu nehmen, ist an einige Voraussetzungen geknüpft. Da ist zunächst mal die persönliche Eignung, die im Bewerberverfahren überprüft wird: Welche Motivation steht hinter dem Wunsch? Ist die Entscheidung für ein Kind bewusst getroffen worden, nach reiflicher Überlegung und Abwägen von Für und Wider? Ist die Aufnahme eines Kindes kompatibel mit den persönlichen Lebensumständen, d. h. sind genügend räumliche, wirtschaftliche und persönliche Ressourcen vorhanden, oder liegt die Annahme eines wirtschaftlichen Interesses nahe? Bei Alleinerziehenden ist das soziale Netz besonders wichtig, damit auch ohne Partner/Partnerin Entlastung in der Erziehung möglich ist. (Corinna Hops).
Das Pflegekind muss immer das jüngste Kind einer Familie sein!?
Die Gründe für eine Erziehung außerhalb des Elternhauses sind mannigfaltig. Die Gestaltung der Hilfe richtet sich nach den Zielen, die im Rahmen der Hilfeplanung formuliert werden. Ob das zu vermittelnde Kind das jüngste in einer Pflegefamilie sein muss, lässt sich nicht grundsätzlich entscheiden. Welche Stärken und Schwächen bringt das Pflegekind mit, welche Erfahrungen gibt es aus seiner Vorgeschichte, welche Bedürfnisse hat es? Sind besondere Fördermaßnahmen notwendig? Wer gehört zur potenziellen Pflegefamilie? Über welche Ressourcen verfügen Pflegeeltern und in der Familie lebende Kinder? Wie sind die Rahmenbedingungen? Ist eine gute Passung zwischen Pflegekind – Bewerber - BeraterInnen gegeben, wird das zu vermittelnde Kind hinsichtlich seines Bedürfnisprofils optimal zu fördern sein. Die Frage seiner Stellung innerhalb der Altershierarchie der Familie dürfte dann nachrangig zu beantworten sein. (Manfred Müller-Knappheide).
...mit über 40 kannst du das vergessen!?
Die Frage nach dem Alter wird häufig schon im Vorfeld einer Bewerbung thematisiert. Die Altersgrenze ist ein Kriterium im Anerkennungsverfahren neben vielen anderen. Aktuell wurde dazu im politischen Raum im Zusammenhang mit Adoptivbewerbern eine lebhafte Debatte angestoßen. Der Gesetzgeber hat für die Zielgruppe der Adoptivbewerber keine Altersobergrenze definiert. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter empfiehlt einen Altersunterschied zwischen Kind und Bewerber von maximal 40 Jahren. Diese Empfehlung kann nicht eins zu eins auf Pflegepersonen übertragen werden. Die unterschiedlichen Ausdifferenzierungsformen in der Vollzeitpflege mit befristeten und auf Dauer angelegten Hilfen fordern einen aufgabenspezifisch angepassten Rahmen ein. Kriterien zur Anerkennung als Pflegepersonen werden von den Fachdiensten örtlich zuständiger Jugendämter vorgegeben. Bundesweit gültige Empfehlungen oder Festlegungen gibt es dazu nicht. Im Jugendamt Düsseldorf wurde beispielhaft beschrieben, dass bei Vermittlung zu nicht verwandten oder bekannten Personen zwischen dem Alter des Kindes und dem Alter der Pflegeeltern bei auf Dauer angelegter Vollzeitpflege ein natürlicher Altersabstand gegeben sein soll. Mit dem Eintritt der Pflegeperson/en ins Rentenalter soll das Pflegekind die Volljährigkeit erreicht haben. Die Altersgrenze der Bewerber bei Aufnahme des Pflegekindes ist damit definiert. (Andreas Sahnen).
Mit viel Liebe schafft man alles,
WENN diese mit aufgestellten Regeln und Konsequenz einhergeht. WENN dazu eine kontinuierliche fachliche Betreuung und Beratung hinzukommt und WENN man auf ein gut funktionierendes Netzwerk zurückgreifen kann. (Andrea Baumeister).
Einer muss zu Hause bleiben
Junge Frauen wollen lt. neuerer Studien nicht nur Familie leben, sondern Berufstätigkeit und Familienleben miteinander verbinden. Diese gesellschaftlichen Veränderungen bilden sich auch in der Pflegekinderhilfe ab. Während es früher häufig zur Bedingung gemacht wurde, dass ein Pflegeelternteil zugunsten der Versorgung der Kinder zuhause bleibt, so ist dies schon länger nicht mehr der Fall. Eine Vorschrift hierzu gibt es im Übrigen nicht. Bei der Planung ist sicherlich zu berücksichtigen, dass ein Rechtsanspruch auf Elternzeit besteht. Ansonsten stellt sich die Frage der Berufstätigkeit im Einzelfall und ist hier zu bedenken. Die angemessene Versorgung des aufzunehmenden Kindes steht im Zentrum der Überlegungen. Häufig bedürfen Kinder, die vermittelt werden, einer besonderen Förderung, viel Aufmerksamkeit und konstanter Bezugspersonen. Bei Abwägung verschiedenster individueller und familiärer Fähigkeiten wird sich die Entscheidung an den Bedürfnissen des Kindes und den Möglichkeiten der Pflegestelle orientieren. (Sabine Knappheide).
...und wenn es eng wird, bist du ganz alleine!
Häufig machen Pflegeeltern die Erfahrung nach der Vermittlung eines Kindes hört die Beratung und Unterstützung durch die beteiligten Dienste auf, „alles Gute, melden sich wenn sie was brauchen" oder „in unseren Bürozeiten können sie sich jederzeit melden". In Krisenzeiten fehlt es dann an Zeit und oft auch an kompetenter Hilfe. Häufiger Personal und/oder Zuständigkeitwechsel unterbrechen immer wieder eine konstruktive, kontinuierliche Zusammenarbeit.Manchmal reicht das Minimalangebot, aber häufig auch nicht. Lange Zeit hatten Pflegeltern keine Ansprüche auf eine eigenständige Beratung und Unterstützung . Das ist seit 2013 anders. Im §37.2 KJHG SGB VIII ist ein eigenständiger Anspruch auf Beratung und Unterstützung festgelegt. Die fallzuständigen Jugendämter sind somit verpflichtet ortsnahe eigene, oder auch externe Ressourcen, z.B. durch freie Träger, zur Verfügung zu stellen. Weiterhin wird Ihnen auch das Wunsch- und Wahlrecht nach §5 SGB VIII eingeräumt, was Ihnen die Möglichkeit der Wahl eines Trägers gibt. Jugendämter und freie Träger bieten eine Reihe sehr unterschiedlicher Angebote von Beratung und Unterstützung an. Das bietet ihnen als Pflegeeltern nicht nur die Möglichkeit, sondern das Recht sich aus zu suchen welches Angebot zu Ihnen passt. (Günter Möllers).