Anspruch auf Akteneinsicht von volljährigen Pflegekindern in die Vormundschaftsakte

| Leibliche Eltern, Rechte des Pflegekindes und der Pflegeeltern

Ansprüche auf Akteneinsicht oder Auskunft eines Pflegekindes können sich aus § 68 Abs. 3 SGB VIIII und aus § 83 SGB X ergeben.

 

Nach § 68 Abs. 3 S. 1 SGB VIII hat derjenige, für den eine Vormund- oder Pflegschaft bestanden hat, nach Erreichen der Volljährigkeit einen Anspruch auf Kenntnis der über ihn gespeicherten Informationen. Außer: Berechtigte Interessen Dritter stehen dem entgegen. Ein Anspruch auf Akteneinsicht ergibt sich daraus aber nicht, kann aber gewährt werden. Die Entscheidung darüber steht im ermessen der Behörde.

 

Nach § 83 Abs. 1 S. 1 SGB X ist auf Antrag Auskunft über die zu einer Person gespeicherten Sozialdaten zu erteilen. Dieses hat aber zu unterbleiben, wenn die Daten wegen berechtigter Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss. Ein Anspruch auf Akteneinsicht ergibt sich auch daraus nicht, kann aber (nach Ermessen) gewährt werden.

 

Die Voraussetzungen und Grenzen für Auskünfte oder Akteneinsicht ist nach beiden rechtlichen Regelungen quasi gleich.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass ein Anspruch auf Auskunft nur bezogen auf die zur eigenen Person gespeicherten Daten besteht. Daten mit Bezug zur eigenen Person sind in den Akten jedoch vielfach Daten mit Doppelbezug. Also Daten, die sich auch auf einen Dritten - insbesondere den Eltern - beziehen. Gerade über diese Daten mit Doppelbezug darf nur informiert werden, wenn nicht berechtigte Interessen des Dritten - der Eltern - entgegenstehen.

 

Berechtigte Interessen Dritter können anzunehmen sein, wenn die Daten im Kontext einer erzieherischen Hilfe anvertraut wurden. Also Daten, die von Eltern den Fachkräften des ASD im Rahmen der Hilfeplanung anvertraut und die anschließend an die Fachkräfte weitergegeben wurden, die die Vormund- oder Pflegschaft geführt haben. Im Hinblick auf diese Daten ergibt sich eine Pflicht zur Geheimhaltung zudem ausdrücklich aus § 65 Abs. 1 S. 2 SGB VIII, nach dem der Empfänger anvertrauter Sozialdaten - hier demnach die die Vormund- oder Pflegschaft führende Fachkraft - die Daten nur zu dem Zweck weitergeben darf, zu dem er diese befugt erhalten hat.

 

Informationen, die die Lebensumstände etwa der Eltern eines ehemaligen Pfleglings oder Mündels in einem "schlechten" Licht erscheinen lassen können, rechtfertigen jedoch für sich allein noch nicht die Annahme des Vorliegens eines überwiegenden berechtigten Drittinteresses. Ebenso unterliegen nicht alle Daten der Hilfeplanung einem besonderen Vertrauensschutz. Geschützt sind nur die im Verlauf der persönlichen Beziehung anvertrauten Daten, jedoch grundsätzlich nicht Informationen über die konkret geführte Leistung oder den Namen des Leistungsberechtigten. Der Weitergabe der Anschrift eines Elternteils werden daher regelmäßig keine berechtigten Interessen entgegenstehen.

 

Zu beachten ist ferner, dass ein Vertrauensschutz eine vertrauliche Beziehung voraussetzt. Daten mit Doppelbezug, an denen ein Interesse an Geheimhaltung bestehen könnte, die einer Fachkraft jedoch durch Mitteilung eines Dritten bekannt werden, können regelmäßig Gegenstand einer Auskunft sein, etwa Daten über den Vater eines ehemaligen Mündels oder Pfleglings, die von der Mutter des Kindes mitgeteilt wurden. Ebenfalls in keiner vertraulichen Beziehung zum ehemaligen Mündel oder Pflegling haben Personen gestanden, die einen professionellen Kontakt zum ehemaligen Mündel oder Pflegling gehabt haben. Hingegen können Pflegeeltern Daten in einem besonderen Vertrauenskontext mitteilen, da sie selbst nach § 37 Abs. 2 SGB VIII Ansprüche auf Beratung und Unterstützung durch den öffentlichen Träger der Jugendhilfe haben.

 

Unerheblich sind hingegen die von dem ehemaligen Mündel oder Pflegling genannten Motive.

 

Zusammenfassend ergibt sich, dass einem ehemaligen Mündel oder Pflegling über bestimmte Daten keine Information gegeben werden können. Welche Daten dies betrifft, lässt sich nur bezogen auf den Einzelfall feststellen. Bei der Prüfung des Bestehens eines berechtigten, entgegenstehenden Interesses ist die Bedeutung der Daten mit Doppelbezug für das ehemalige Mündel oder den ehemaligen Pflegling zu berücksichtigen. Daher wird regelmäßig eine weitgehende Auskunft zu erteilen sein. Diese kann auch durch das Gestatten von Akteneinsicht erfolgen. In diesem Fall sind die Daten, deren Preisgabe berechtigte Interessen entgegenstehen, vorher zu entfernen.